Stromversorgung in Kripp


von Willy Weis & Hildegard Funk


Bis Anfang der zwanziger Jahre des 20.Jahrhunderts dienten teils mit Rapsöl getränkte lichtspendende Öllampen und geruchsintensive Kerzen aus Unschlitt, einem Gemisch aus Rinder-bzw. Hammeltalg mit Wachs oder die blakenden Petroleumlampen den Kripper Haushalten bei einbrechender Dunkelheit als Lichtquellen. Diese Lichtquellen wurden teils ab 1907 durch das aufkommende Gaslicht erweitert. 1)

Dies änderte sich schlagartig durch die revolutionäre Erfindung der Dampfmaschine, die mittels einem aufgesetztem Dynamo elektrische Energie erzeugte und man nun technisch in der Lage war, diese als hochgespannten Strom mittels einer oberirdischen Leitung über fernere Strecken an die Verbraucher zu transportieren.

„Am 18.Dezember 1911 beschloss der Kreistag für die Gesamtversorgung des Kreises die erforderlichen Schritte zu unternehmen. Es wurden Verhandlungen mit dem Kreis Mayen und der auf der Grafschaft bereits bauenden Stromerzeugerfirma „Berggeist“ angeknüpft, die zum Abschluss führten. Diese Verträge wurden vom Kreistag am 20. Dezember 1912 einstimmig angenommen, am 13. Februar 1913 die inzwischen endgültig festgesetzte Fassung durch den Kreisausschuss gut geheißen und am 21. Februar 1913 rechtsgültig vollzogen“. 2)

So kam es 1914 zwischen dem Stromerzeuger Berggeist AG Brühl, der jetzigen Rheinisch-Westfälischen-Energie (RWE) und der Stadt- und Landbürger-meisterei Remagen als Großabnehmer und Stromversorger für ihre Gemeinde zum Abschluss eines Konzessionsvertrages, einem sogenannten A-Strom-lieferungsvertrag. Die Weitergabe der elektrischen Energie an die Haushalte sollte nun zu Lasten der Gemeinde erfolgen, die mittels Kleinverträgen die Abrechnungen direkt mit den einzelnen Stromkonsumenten vornehmen sollten. 3)

Der geplante kreismäßige Netzausbau wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges eingestellt. Von 1920 bis 1922 kam es zu vertraglichen Änderung zwischen Remagen, Oberwinter und Rolandswerth als Großabnehmer und der „Berggeist AG Brühl“ als Stromerzeuger. Für den Verkauf ihrer Energie an Großkunden wurde nunmehr eine Vermittlungsgesellschaft -die Thüringer Gasgesellschaft- als Makler zwischengeschaltet, die im Auftrag den Strom en Gros von „Berggeist“ kaufte und an die Gemeinde Remagen als Großabnehmer weiterverkaufte. 4)



Im Frühjahr 1921 erfolgte der Ausbau des Leitungsnetzes von Sinzig aus. Während die Hochspannung von Berggeist gebaut wurde, errichtete die Thüringer Gasgesellschaft das Niederspannungsnetz auf Grund der im Jahre 1914 abgeschlossenen Verträge. 5)

Der erste elektrische Strombezug in Kripp wurde in der Gegend der ehemaligen alten Schule in der Ortsmitte durchgeführt. Damals erfolgte die elektrische Versorgung durch Hausanschlüsse mittels direkt am Haus angebrachten Porzellan-Isolatoren an der Fassade, deren zweiadrigen Stromleitungen über ein Porzellellanrohr ins Haus zum Stromzähler geführt wurden. Mit dieser schwachen zweiadrigen Stromleitung, die im Hause gegen Stromschlag mit einer ummantelten Stoffisolierung überwiegend in einem mit Teerpapier isolierten Blechrohr Überputz verlegt wurde, konnte man lediglich nur eine Beleuchtung betreiben. 1921 erhielt die Katholische Kirche elektrisches Licht. 6) 1926 erfolgte die Elektrifizierung des Hauses Quellenstraße 82  7)

Eine Ausnahme bildeten jedoch die zwei Villen des Lederfabrikgründers Heitemeyer und des Grafen Taveggi auf dem Batterieweg, heute Nr. 16-18 und 22. Hier dürfte bereits um 1905, also über 15 Jahre vor der eigentlichen Ortselektrifizierung schon das erste elektrische Licht in Kripp gebrannt haben. Für diese Behauptung spricht eine alte von uns aufgefundene Bauzeichnung, in der dokumentiert ist, dass dort in einer vom Pferdestall umgebauten Autogarage mittels eines Benzin betriebenen Generators elektrischer Strom für das dortige Anwesen erzeugt wurde. 8)

Clemens Heitemeyer, Lederfabrikbesitzer in Amerika und Kripp, dürfte diesen Generator als damalige Errungenschaft bei seiner Übersiedlung nach Kripp mitgebracht haben, um hier im Ruhestand nicht auf diesen in Amerika gewohnten Luxus zu verzichten.

Die zu damaligen Zeiten neu in der Stube installierte leuchtschwache Glühlampe von 16 Watt, die eine Leuchtstärke von 16 Normalkerzen hergab, verdrängte die bisherigen verschiedenen schummrigen Lichtquellen. Hieraus resultiert auch die damals geläufige Leuchtkraftbezeichnung der Glühbirnen "16 kerzig".


Mit zunehmender Verbesserung der Stromqualität wurde später sukzessiv das Ortsnetz mit mehr Power verstärkt. Mit deren Energie war man nun in der Lage, Maschinen direkt mit Elektroenergie zu betreiben. Dadurch entfielen die in den Betrieben zum Maschinenantrieb dampfbetriebenen ledernen Transmissions-anlagen. Einen Sonderstatus bildete jedoch die Lederfabrik, die für ihre Eigenstromerzeugung bereits über einen eigenen dampfgetriebenen Generator verfügte.


Leider ließen sich keine genaueren Aufzeichnungen oder alte Rechnungsbelege mehr finden, die einen genaueren Aufschluss über den Stromausbau in Kripp aufzeigen. Gebietsweise wurden nach 1980 die über den Hausdächern vorhandenen alten Freileitungen für die Hausanschlüsse durch neue Erdleitungsanschlüsse ersetzt, ausgenommen gewisse Teilgebiete im Hochwassergebiet der Unterkripp, Die heutige elektrische Grundversorgung für Kripp erfolgt durch den Energiekonzern RWE- Regionalzentrum Rauschermühle.

 

1) Vereinschronik 1912 der Schützengesellschaft 1837 Kripp zum 75 jährigen Jubiläum
2) Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1971, S.100, Josef Hoss
3) Archiv Berggeist Brühl
4) Archiv Berggeist Brühl
5) Chronik der Stadt Remagen von 1879-1931, Heft 6, S.42, Klaus Flink
6) Kath. Pfarrarchiv Kripp
7) Angaben des Zeitzeugen Paul Ueberbach+, Kripp
8) Baugenehmigungsunterlegen 1905 /Kopie: Archiv Weis/Funk



Tauerei auf dem Rhein


von Willy Weis & Hildegard Funk 


Kleine Verkehrsgeschichte zur aufkommenden Seilschifffahrt (Tauerei) - angefangen von den wirtschaftlichen technischen Voraussetzungen und deren Begleitumstände eines 30jährigen Intermezzos als Sonderform des Gütertransportes auf dem Rhein.

Mit dem rasanten Anstieg des Eisenbahngütertransportes nach dem Ausbau der Eisenbahnlinie an der Rheinschiene Mitte des 19. Jahrhunderts kam es auf dem Frachtsektor zwischen der Eisenbahn und der Frachtschifffahrt zu einem ernsthaften Konkurrenzkampf, der zunehmend zu Gunsten der Eisenbahn tangierte. Der Rhein hatte mit dieser technischen Errungenschaft nunmehr aufgehört, die alleinige wirtschaftliche Handelsroute zwischen dem Meer und der Schweiz zu sein. War doch bis Dato die Rheinschifffahrt für den Fracht- verkehr ohne Konkurrenz gewesen.Um die nicht unerheblichen Schleppkosten für den Frachtverkehr der Dampfschifffahrt gegenüber der konkurrierenden Eisenbahn zu reduzieren, kam man aus wirtschaftlichen Gründen auf die Idee einer Schleppschifffahrt auf dem Rhein mittels eines „Tauerdampfschiffes“, im Schifferjargon auch "Hexe" genannt. (touage, von touer = ziehen, schleppen)



Repro

Davon angetan, dass die Rheinschifffahrt durch die Tauerei wegen der Kohlenersparnis konkurrenzfähiger und der Transport von Massengütern deutlich verbilligt werde, kam es zur Umsetzung dieses gigantischen Vorhabens am 5. Dezember 1871 unter maßgeblicher Beteiligung des Fabrikanten F.C.Guilleaume zur Gründung der Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei in Köln. Guilleaume war jedoch nur zur Zeichnung der Aktien bereit, wenn sichergestellt würde, dass das benötigte Drahtseil ausschließlich beim Kabelwerk Felten & Guilleaume bestellt würde. 1)


                                                                     Räderwerk eines Tauerschiffes Repro

Felten war der Schwiegervater des ehemaligen Finanzbeamten Guilleaume, der in Köln eine Hanfseilerei und die älteste Drahtseilfabrik der Welt betrieb. Die neu gegründete Gesellschaft besaß die Konzession für den Tauereibetrieb auf dem Rhein für 562 km von Emmerich bis Basel. Guilleaume war jene Industrieellenfamilie, die in Remagen-Oberwinter Schloß Ernich erbaute, sowie Calmuth und Schloß Marienfels ihr Eigen nannten. 

Nach erfolglosen Versuchen, bereits um 1864 auf dem Rhein eine Kettenschifffahrt einzurichten, versuchte man nun erstmals durch die 1871 gegründete Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei in Köln“ ab 1873 Abschnittsweise mittels eines auf der Rheinsohle von Emmerich bis Bingen gelegten Drahtseiles, eine Art "Flusseisenbahn" mit beweglicher Schiene" zu errichten. 

Versuche dieser Art waren bereits in Frankreich und Belgien sowie auf der Elbe erfolgreich durchgeführt worden. Dabei nahmen dafür speziell umgebaute Dampfschiffe, „Tauer“ genannt, die nach einem Umbau an der äußersten Backbordseite über vier fast 3m große Seilführungsscheiben verfügten, das Stahltau vor dem "Tauer" vom Flussgrund auf und gab dieses nach dem Durchlaufen mehrerer Scheibenräder wieder der Tiefe frei. Dabei dienten die ersten zwei Seilscheiben lediglich zur Seilführung nach der Aufnahme vom Flussgrund zum dritten dampfgetriebenem Antriebsrad, dass das Schiff am Drahtseil gegen den Strom bergwärts zog, während die vierte Seilscheibe wieder als Seilführung zum Flussgrund diente, damit dieses wieder störungsfrei auf der Flusssohle abgelegt werden konnte. 

Um einem eventuellem Seilschlupf zu vermeiden, war das Antriebsrad mit Flowlerklappen ausgestattet. Somit zog sich das Tauerschiff selbst gegen den Strom. Dabei erhielt das Zugrad nur ein einseitiges Zapfenlager, wodurch das aufgenommene Zugseil notfalls jederzeit abgeworfen und durch die Öffnung im Schiffsboden auf den Grund der Rheinsohle fallen gelassen werden konnte. An dem Räderremorqueur (Schlepper) konnten mehrere Schleppkähne angehängt werden. 



                                                                                                                                                                  Foto: Stadtarchiv Linz 

Durch diese technische Errungenschaft entfiel die eigentliche immens Kohle verzehrende große Dampfmaschine für den Transport des Schleppschiffes. Lediglich benötigte man nur noch Dampfkraft für den rotierenden Betrieb der Zugtrommel (Seilscheibe) zum Ziehen des Tauerseils, an dem sich das Tauerschiff mit Schleppanhang bergwärts zog. Der Kohleverbrauch reduzierte sich dadurch drastisch von 0,3278 Pfennige auf nur 0,06 Pfennige pro Zentner je Meile. 2) 
Insgesamt ließ die Central AG. für Tauerei und Schleppschifffahrt, Mülheim-Ruhr von 1873 bis 1876 in Duisburg, insbesondere für den Mittelrheinstrecke die „Rheintauer 1 bis 8“ bauen. Diese „Hexen“, wie sie in Schifffahrtskreisen genannt wurden, zogen sich selbst an einem befestigten starken Drahtseil rheinauf mit ihrem Anhang von Kähnen an unseren Gestaden bis St. Goar vorbei, während die Talfahrt losgelöst vom Tauerdraht frei fahrend mittels zwei am Heck angebrachter dampfbetriebender vierflügeliger Schiffsschrauben erfolgte. 

Vor der Verlegung des Tauerseiles waren die Existenz und die althergebrachten Rechte der Querseilfähren zu berücksichtigen. Um nicht mit den Querseilen der gegenwärtigen Fähren zu kollidieren, mussten nunmehr die Gierponten an Lang- bzw. Schwungseilen geführt werden. So auch bei der damaligen Gierponte Linz-Kripp, dessen anderes Ende des an der Fähre befestigten Langseiles oberstrom etwa im Bereich der heutigen Quellenstraße und Ahrmündung an einem auf der Flusssohle zum Kripper Ufer hin gegossenen Betonblock befestigt wurde. 3) Zur Vermeidung störanfälliger Grundberührungen infolge des Absinkens des Fährlangseiles wurde dieses über mit pendelnden Buchtnachen zwischen der Verankerung und Fähre gelegt. Das zwischen der Fähre und der Verankerung an dem Längsseil pendelnde Buchtnachengebilde nannte man im Kripper Jargon „de Roosekranz“. (Rosenkranz) 4)

Für den hiesigen Mittelrheinbereich wurde 1875 der erste von der Firma Felten & Gilleaume hergestellte Tauereidraht auf der Rheinsohle von Oberkassel an Kripp vorbei bis Bingen verlegt. Entsprechend den am Niederrhein gemachten Erfahrungen wurde, um den harten Druck zwischen den Litzen sowie das Eindringen von Schlamm in den Tauerdraht zu vermeiden, die Kernlitze des Tauerdrahtes mit einer geteerten bzw. asphaltierten Hanfumlage umsponnen. Der pro Meter 6,3 kg schwere Tauereidraht kostete inklusive der Verlegung je Kilometer 2.700 Mark.Um 1879/80 wurde der hier vorhandene Tauereidraht durch ein qualitativ höheres gefertigtes Zugseil aus Siemens-Martin-Stahl mit splißfreien Längen von 12.000 Metern auf der 120 km langen Mittelrheinstrecke von Oberkassel bis Bingen mit einer erhöhten Bruchfestigkeit von 40.000-46.000 kg ausgetauscht.Bei diesem auf dem Flussboden bei Kripp verlegten 7,05 kg pro Meter schweren und 43 mm starken neuen Stahlseil aus 49 Drähten in sieben Litzen bestehend, von denen das Dickste als Seele diente, prognostizierte man bei einer Schleppmenge von 9,5 bis 10 Millionen Zentnern eine erhöhte Lebensdauer von etwa 6½ Jahren. 5).
Auf Wunsch der Mülheimer Dampfschifffahrtsgesellschaft kam es 1876 zur Fusion der Central-Actien-Gesellschaft (CATS) mit der Vereinigten Ruhrorter und Mülheimer Dampfschifffahrtsgesellschaft in Dortmund. Am 8. Juni gleichen Jahres konstituierte sich die neue Gesellschaft unter der Firmierung „Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei und Schleppschifffahrt in Ruhrort. 6)

Der durch die Tauerschifffahrt erlahmende hiesige Schifffahrtsbetrieb zu Berg mittels Treidelpferden brachte für die Halfen und Treidelwirte spürbare finanzielle Einbußen mit sich. Hiesige Treidler konnten lediglich nur noch auf unbedeutenden und unlukrativen Lokalzwischenverkehre zurück greifen und gerieten in Existenznot, die sich in einer Beschwerde an den Remagener Bürgermeister Friedrich Wilhelm Beinhauer widerspiegelte. 7)
1877 kam es diesbezüglich von Seiten der Kripper und Remagener Schiffshalfen und deren Wirte zu einer lebhaft vorgetragenen Klage gegen die Gemeinde, nachdem ihnen die Tauerei den früheren Verdienst, den sie aus dem Bei diesem auf dem Flussboden bei Kripp verlegten 7,05 kg pro Meter schweren und 43 mm starken neuen Stahlseil aus 49 Drähten in sieben Litzen bestehend, von denen das Dickste als Seele diente, prognostizierte man bei einer Schleppmenge von 9,5 bis 10 Millionen Zentnern eine erhöhte Lebensdauer von etwa 6½ Jahren. 5)
Auf Wunsch der Mülheimer Dampfschifffahrtsgesellschaft kam es 1876 zur Fusion der Central-Actien-Gesellschaft (CATS) mit der Vereinigten Ruhrorter und Mülheimer Dampfschifffahrtsgesellschaft in Dortmund. Am 8. Juni gleichen Jahres konstituierte sich die neue Gesellschaft unter der Firmierung „Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei und Schleppschifffahrt in Ruhrort. 6)

Der durch die Tauerschifffahrt erlahmende hiesige Schifffahrtsbetrieb zu Berg mittels Treidelpferden brachte für die Halfen und Treidelwirte spürbare finanzielle Einbußen mit sich. Hiesige Treidler konnten lediglich nur noch auf unbedeutenden und unlukrativen Lokalzwischenverkehre zurück greifen und gerieten in Existenznot, die sich in einer Beschwerde an den Remagener Bürgermeister Friedrich Wilhelm Beinhauer widerspiegelte. 7)

1877 kam es diesbezüglich von Seiten der Kripper und Remagener Schiffshalfen und deren Wirte zu einer lebhaft vorgetragenen Klage gegen die Gemeinde, nachdem ihnen die Tauerei den früheren Verdienst, den sie aus dem Vorspann zum Schiffziehen mit Pferden auf den Bergfahrten erhalten hatten, zu entziehen begann. 8)

Trotz der ursprünglichen Überlegenheit der Seilschifffahrt standen verschiedene Faktoren, wie das Aufkommen der Schraubenschlepper, die die Generation von Radschlepper ablösten, durch Unrentabilität infolge vieler technischer Probleme, die nicht zuletzt durch schwierige Flussverhältnisse bedingt waren, sowie anderen ökonomischen Komponenten inklusive der Behinderung der Netzfischerei, einer dauerhaften Etablierung der Seilschifffahrt auf dem Rhein entgegen, so dass die Tauerei nicht im ursprünglichen geplanten Umfang durchführbar war und einer weiteren unzeitgemäßen Entwicklung um 1903 ein jähes Ende setzte. 9)

Nachdem der Rhein knapp 30 Jahre zum Ärgernis und Nachteil der hiesigen Rheinhalfen mit „Hexen“ durchfahren werden konnte, wurde das Tauerseil von der am Anfang November 1904 in Liquidation getretenen Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei und Schleppschifffahrt (CATS) dem Eintrag des Kripper Tagebuchschreibers Gottfried Valentin zufolge nunmehr vor über 112 Jahren „... am 30. März 1905 in Kripp endgültig von der Rheinsohle gehoben.“10) 

Quellen:

1) Als die Hexen Schiffe schleppten, L.U.Scholl, 1985, S. 86-87,130 ff,
2) 2000 Jahre Rheinschifffahrt, L.U.Lars, S. 107
3) Als die Hexen Schiffe schleppten, L.U.Scholl, 1985, S. 130 ff,
4) mündliche Angaben: Zeitzeuge Hans Klock, Kripp +
5) Als die Hexen Schiffe schleppten, L.U.Scholl, 1985, S. 129
6) Als die Hexen Schiffe schleppten, L.U.Scholl, 1985, S. 121 
7) Amtslisten von Remagen, W.J.Langen 1925, S.34
8) Old Timer der Rheinschifffahrt, v. Dr. H.Weber und August Lindner, S.111, Rheinschifffahrtsverlag Duisburg-Ruhrort

9) Als die Hexen Schiffe schleppten, L.U.Scholl, 1985, S. 130 ff, dsgl. „Old Timer der Rheinschifffahrt“, v. Dr. H.Weber und A. Lindner, S.111, Duisburg-Ruhrort, S.101-2, Rheinschifffahrtsverlag

10) Tagebuch des Kripper Gottfried Valentin


Literatur:

Der Rhein von Straßburg bis zur Holländischen Grenze in technischer und wirtschaftlicher Beziehung““, E. Beyer, 1902.

Die Arbeiten der Rhein-Bauverwaltung 1851-1900, Berlin 1901. Blätter für deutsche Landesgeschichte 89 (1952), S. 169-245 L.U.Scholl, 1985, „Als die Hexen Schiffe schleppten“.



Motorfähre Franziska 1937 - 1945

von Alex Bohrer



Quelle Foto: Familie G. Ziss / „Franziska“ beim Ablegen vom Fähranleger in Kripp

Im Juli 2018 entdeckte ich sie. Auf Digit WDR wurde ein Film digitalisiert, in dem die Fähre "Franziska" zu sehen ist. Sie erscheint ab Filmminute 0:33 bei der Anfahrt an die Kripper Anlegestelle ..., und hier der link:https://digit.wdr.de/entries/123830?index=18&q=eyJ7OH0iOlsiUmhlaW5sYW5kLVBmYWx6Il19&qt=search

1937 Vorgeschichte

Ursprünglich wurde die Motorfähre „Franziska“ von der Werft Christoph Ruthof aus Mainz / Kastel, 1937 unter der Bau-Nr.: 1112 für die Fährgesell-schaft Honnef aus Bad Honnef erbaut.

Mit Ihrer Länge von 24 Meter und einer Breite von 6,50 Meter, angetrieben durch zwei Motoren mit je 100 PS, war sie 1937 eine der modernsten und größten Fähren auf dem Rhein – übertroffen nur noch durch die Fähre in Rüdesheim. Im direkten Vergleich zu der davor eingesetzten Seitenpfortenfähre „Bad Honnef“, die wie ein normales Schiff gebaut war und die Fahrzeuge seitlich über eine Rampe aufnahm, konnte mit der „Franziska“ ein schnellerer Übersetzverkehr gewährleistet werden, da sie, typisch für eine Doppelendfähre, als eine Besonderheit, über lange Fährklappen an jeder Kopfseite verfügte und so ein deutlich bequemeres Auf- und Abfahren der Fahrzeuge auf bzw. von der Fähre ermöglichte. Der Rumpf der „Franziska“ wurde in Schaldenform gebaut und an beiden Kopfenden, jeweils im Bereich der Schrauben, strömungsoptimiert angepasst. Den Vortrieb übernahmen 4 feststehende Pro- peller in Tunneln (2 Schrauben je Seite und Motor), die über Getriebe auf die 100 PS starken Motoren gekoppelt waren. Zur Steuerungsunterstützung waren jeweils ein Flankenruder pro Schraube installiert. Auf diese Weise war die Fähre nicht nur wendiger als ein normales Schiff mit nur einer Schraube am Heck, sie konnte sich auch schneller durch den Schiffs-Längsverkehr schlängeln und auch das An- und Ablegen ging deutlich schneller, als mit der früheren Seiten- pfortenfähre „Bad Honnef“.


Quelle: Fotoalbum Manfred Geyer Motorfähre „Franziska“ 1937 am Fähranleger in Rolandseck (Remagen)

Ob ein wirtschaftlicher Fährbetrieb 1937 in Bad Honnef nicht mehr möglich war, oder ob die Fährgesellschaft Honnef Finanzierungsprobleme bekommen hatte, ließ sich bisher nicht herausbekommen, jedenfalls musste sie Ende 1937 Konkurs anmelden. Möglicherweise hatten Sie sich auch mit dem Kauf der Fähre „Franziska“ verkalkuliert, oder es kam zu Lieferverzögerungen durch die Werft, jedenfalls wurde die die Seitenpfortenfähre „Bad Honnef“ bereits 1935 außer Dienst gestellt und verkauft, die „Franziska“ konnte aber erst 1937 in Dienst genommen werden.

Dieser Konkurs erwies sich für die Linzer Fährgesellschaft als einen großen finanziellen Vorteil, denn so ergab sich für sie die Möglichkeit, die fast neue, freifahrende Motorfähre „Franziska“ von der in Konkurs gegangenen Fähr-gesellschaft Honnef äußerst günstig zu erwerben.

So kam die Motorfähre „Franziska“ am 15. Dezember 1937 nach Linz / Kripp. Wegen den langen Fährklappen und da sie ja freifahrend war, wurden dann neue Fährrampen im Uferbereich zu beiden Seiten nötig. In Linz wurde die neue Fährrampe neben dem „Kölner Hof“ angelegt, in Kripp vor dem Hotel „Fährhaus“. Die Neuanlage kostete die Fährgesellschaft die Summe von nahezu 150.000 Reichsmark.

Diese Investitionen rechneten sich schon innerhalb kürzester Zeit, da die Fähre „Franziska“, auch in Bezug auf das Auf- und Abfahren für Fahrzeuge außer- ordentlich bequem war und sie immer häufiger, besonders auch von schweren Lastwagen benutzt wurde.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Rentabilität nicht nur gesichert, sondern es wurden schon wieder erhebliche Überschüsse verdient. Diese Entwicklung wurde durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs jäh unterbrochen. Die Einnahmen gingen immer mehr und mehr zurück, so dass kaum die Löhne und Betriebskosten verdient wurden.

Schließlich, am 09. Februar 1945, ereilte die Fähre Ihr Schicksal. Sie wurde, als sie in Kripp wegen Hochwassers vor Anker lag, durch einen Bombentreffer zerstört und versenkt.



Zeitungsbericht von Willy Weise und Hildegard Funk aus den Remagener Nachrichten Nr. 4/95:

Kripp: Tödlicher Irrtum!

-ww- Kripp. In diesem Jahr jährt sich zum 50. Mal der Tag der Bombardierung

des Ortsteiles Kripp. Grund genug einmal an die traurige Vergangenheit zu erinnern und einen Rückblick zu halten.

Ab Herbst 1944 nahmen die gezielten Angriffe alliierter Bomberverbände hier in Kripp dramatisch zu. Im Kripper Gebiet galten sie besonders dem Abzweiggleis der Ahrtalbahn, die unmittelbar an der B9 im angrenzenden Kripper Feld liegt und für den Nachschub der auf Hochtouren laufenden Ardenenoffensive sorgte. Man lebte in ständiger Angst, da die Luftschutz-meldungen über den Rundfunk und das alarmierende Sirenengeheul ab dieser Zeit an der Tagesordnung waren.Während der Alarmierungen suchten die Bewohner die Luftschutzkeller auf. Dies war für die Rheinanwohner nicht möglich, da der Fluß zu dieser Zeit Hochwasser führte und die Schutzkeller überflutet waren. (Pegel Andernach 15.02.45 - 8,38 Meter).

Der 9. Februar 1945, der leidvollste Tag in der Kripper Geschichte! Ein wolkenverhangener Tag und der Rhein führte Hochwasser. Es geschah gegen 16.15 Uhr. Ein Bombeninferno legte Teile der Rheinallee in >Schutt und Asche<. Aus der Schnelligkeit des Angriffes und des Schocks konnte keiner sofort so richtig ermessen, was eigentlich passiert war. Zuvor hatte man nur die Sirenen und das Dröhnen von Flugzeugmotoren wahrgenommen, konnte aber infolge der dichten Wolkendecke nichts sehen. Der gelegte Bombenteppich, der sich vom südwestlichen Teil Linz bis über den Rhein herüber nach Kripp über die Rheinallee bis zur Ahrstraße zog, forderte insgesamt 19 Tote. Die Information dieses Berichtes stützen sich auf mündliche Angaben von Heinz Schmalz, Verfasser der Dokumentation Sinzig 1939-45 über den Ablauf aus militärischer Sicht der Alliierten und einiger Ortsbewohner.

Am besagten Tage startete ein Bomberverband des 322. Bombergeschwaders mit 36. Bombern des Typ B 26 (Marauder) von einem Flugplatz in England aus in Richtung Deutschland, um die militärischen Nachschubwege für die Westfront zu zerstören. Dieser Start und der weitere Verlauf sollte für zwei Orte verherrende Folgen haben. Genaues Ziel war die Ahrbrücke in Sinzig. Der Marauder war ein zweimotoriger amerikanischer Bomber mit je 1.850 PS Motorstärke und einer Länge von 19,80 Metern, Ausgerüstet mit 8 MG und 6 Mann Besatzung. Nach amerikanischer Meldung warfen die Bomber bei einer 10/10 Bewölkung (geschlossene Wolkendecke) aus einer Flughöhe von 14.500 feet (annährend 5.300 Meter) 59 Bomben von 2000 lbs und 4 Bomben von 500 lbs auf das Ziel1 lbs (libs gesprochen) hat das Gewicht von exakt 0,4536 kg. Somit ist 1 lbs überschlagsmäßig annährend mit 1 Pfund Gewicht zu vergleichen. Bei den Bomben handelte es sich um Sprengbomben. Diese enorme Abwurfhöhe war durch die große Reichweite Deutscher Flak notwendig. 18 Maschinen erhielten Beschädigung durch Flakbeschuß.

Alle Maschinen kehrten zurück. Die Flakabwehr wurde vom Gegner als sehr stark, besonders im Gebiet des Laacher Sees, bewertet.

Infolge der Bevölkerungsdichte konnten jedoch die Bomberpiloten ihr Angriffsziel nicht richtig orten und klinkten die Bombenlast zu spät ab. Eine Verzögerung von Sekunden wirkte sich bei dieser Flughöhe und der Geschwindigkeit für das Trefferergebnis enorm aus. An diesem Tage fiel keine Bombe auf das eigentliche Ziel, die Ahrbrücke in Sinzig. Diese verspätete Reaktion der Bomberpiloten, die den tödlichen Einsatz flogen, hatte für Kripp und Linz fatale Folgen.

Für beide Orte, die bisher im Ortskern von den Bombardierungen wesentlich verschont geblieben waren, war dies ein schwerer Schlag.Für insgesamt 19 Menschen wurde diese >Verspätung< zum Verhängniss. Der >tödliche Niederschlag< erstreckte sich auf das Gebiet südwestlich von Linz und auf den südöstlichen Ortsteil von Kripp. Die abgeworfenen Sprengbomben >radierten< alleine in Kripp 16 Menschenleben aus und zerstörten Häuser, die meisten an der Rheinallee bis hin zum Ahrweg. Die Häuser hielten den Detonationsdruck der Sprengbomben nicht stand und begruben die Bewohner in den Trümmern. Verschüttete wurden mit bloßen Händen aus den Trümmern geborgen.

Viele Kripper waren nach Angaben der Rheinbewohner zur Zeit des Angriffs wegen der Beschaffung von Lebensmittelkarten unterwegs, ansonsten wären vermutlich noch mehr Opfer zu beklagen gewesen. Die Linz-Kripper Autofähre , die infolge Hochwassers vor dem Haus des Fährmeisters Peter Valentin an der Rheinallee fest vertaut lag, erhielt einen Volltreffer. Sie versank in den Hochwasserfluten des Rheines und blieb auf der Rheinwiese (ehemaliger Campingplatz) auf Grund liegen. Der Fährmeister Peter Valentin nebst Ehefrau und 14 weitere Personen fielen diesem Bombenangriff zum Opfer. Das auf der Fähre befindliche Auto des Kripper Fährpächters Dörries wurde durch den Volltreffer vernichtet. In Linz wurde die Familie des Studienrates Lohmann mit 3 Personen ein Opfer des Bombenabwurfes und 2 der 20 Zentnerbomben durchschlugen das Reichsbahnviadukt und blieben als Blindgänger liegen. Erst nach dem Rückgang des Hochwassers konnten diese durch 2 Feuerwerker (Leutnant Schneider und Colombo) entschärft werden. Dieser Angriff, der gezielt der Sinziger Ahrbrücke galt, gilt als der schwärzeste Tag in der Kripper Kriegsgeschichte.

W. Weis und H. Funk, Kripp


Beim Bombenangriff am 9. Februar 1945 waren in Kripp 16 Todesopfer zu beklagen. Joseph Klünner mit Tochter Florentin Klünner; Frau Käthe Hoffmann mit Tochter Renate Hoffmann und Sohn Wolfgang Hoffmann; Johann Wilhelm Schürhek; Ernst Krampe mit Ehefrau Sophie Krampe; Peter Valentin mit Ehefrau Katharina Valentin; Konstanze Breuer; Gertrud Lammer; Frau Denn; Max Werner; Kind Bernhard Söllen;"

Über Herrn Wolfgang Geyer aus Kripp, dessen Eltern die Besitzer des Tourist Hotels in der Kripper Rheinstrasse gewesen sind, erfuhr ich, das dass Wrack der Franziska, nach Rückgang des Hochwasser geborgen und auf den
Kripper Campingplatz gezogen wurde. Er konnte sich noch gut daran erinnern, da er als Kind darauf gespielt hatte. Über Herrn Weis aus Kripp erfuhr ich, das die Beschädigungen durch die Versenkung der „Franziska“ so groß gewesen sein müssen, dass eine Reparatur des Wrack zu der damaligen Zeit, schlicht am Mangel von Ersatzteilen und Materialien, nicht möglich war. Das „Wrack“ verblieb daher auf dem Campingplatz und wurde nach und nach durch die Kripper Bürger verwertet. 
W. Weis und H. Funk, Kripp



                   Ansichtskarte Verlag Geschw. Schnickel, Reiseandenken, Linz am Rhein, Burgplatz. Gelaufen: 04.04.1942

Technische Daten Fähre „Franziska“:
Werft: Christoph Ruthof / Mainz-Kastel
Baujahr: 1937
Bau-Nr: 1112
Länge über alles: ca. 33 m
Länge Rumpf: 24 m
Länge der Klappen: ca. 4,50 m
Breite über alles: 6,50 m
Breite der Fahrbahn: ca. 4 m
Tiefgang leer / beladen: ca. 0,70 – 0,90 m
zul. max. Gesamtlast: ca. 40-50 t
Transportleistung: ca. 10 PKW
Fahrspuren: 2
Antrieb: 4 feststehende Propeller auf 2 Getriebe, angetrieben von zwei Motoren mit je 100 PS 

Rumpftyp: Schaldenform

Mit Ihrer Länge von 24m und einer Breite von 6,5m, angetrieben durch zwei Motoren mit je100PS, war sie 1937 eine der modernsten und größten Fähren auf dem Rhein – übertroffen nur noch durch die Fähre in Rüdesheim. Eine der Besonderheiten waren die langen Auffahrrampen, die ein bequemes Auf- und Abfahren von Fahrzeuge auf bzw. von der Fähre ermöglichten. 

Mit Ihrer Länge von 24m und einer Breite von 6,5m, angetrieben durch zwei Motoren mit je100PS, war sie 1937 eine der modernsten und größten Fähren auf dem Rhein – übertroffen nur noch durch die Fähre in Rüdesheim. Eine der Besonderheiten waren die langen Auffahrrampen, die ein bequemes Auf- und Abfahren von Fahrzeuge auf bzw. von der Fähre ermöglichten. Ihrer Besonderheit wegen, den langen Fährauslegern, waren neue Auffahrrampen im Uferbereich zu beiden Seiten nötig Die Neuanlage kostete die Fährgesellschaft die Summe von 150.000 Reichsmark. Diese Investitionen rechneten sich schon innerhalb kürzester Zeit, da die Franziska, auch in Bezug auf Auf- und Abfahrt für Fahrzeuge außerordentlich bequem war und sie immer häufiger, besonders auch von schweren Lastwagen benutzt wurde.

Bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs war die Rentabilität nicht nur gesichert, sondern es wurden schon wieder erhebliche Überschüsse verdient. Diese Entwicklung wurde durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs jäh unterbrochen. Die Einnahmen gingen immer mehr und mehr zurück, so daß kaum die Löhne und Betriebskosten verdient wurden. Schließlich, am 09. Februar 1945, ereilte auch die Fähre Ihr Schicksal, sie wurde, als sie in Kripp wegen des Hochwassers vor Anker lag, durch einen Bombenvolltreffer restlos zerstört. 


Zusätzliche Infos zum Zeitungsbericht von Herrn Weis:


bezüglich Ihrer Anfrage teile ich Ihnen definitiv mit, dass am 9.2.45 kein Bombenangriff in Kripp stattgefunden hat. Wir haben uns selbst davon bei einem Besuch im National- Archiv in Washington 1998 überzeugt.

Es war eine Bombenablage von 31 B-26 (Marauder) des 322.US-Bomben-geschwaders, hervorgerufen durch Sichtbehinderung infolge starker Bewölkung von 6-8/10 bis 2600 und 5-6/10 bis 4600 m Höhe über dem eigentlichen Zielobjekt Eisenbahnbrücke bei Sinzig. Gesehen haben die Bombenschützen wenig wegen der Wolkendecke, worauf es durch die Zielverzögerung zu einer Bombenablage (Fehlabwurf') auf das Kripper Rheinufer kam. (Bombenfracht = 4x500 und 59 x 2000 lbs, legte die Rheinfront fast in Schutt und Asche). Hierzu haben wir pressemäßig vor Jahren berichtet. Sollten wir diesen auffinden, so werden wir Ihnen diesen mailen. Recherche zu Peter Valentin: Der Fährmeister hatte die unbemannte Fähre Franziska wegen des Hochwassers vor seinem Haus (heute Rheinallee 10) vertäut.Valentin war im Rahmen der Nachbarschaftshilfe mit dem Kahn unterwegs. Als Fährmann hätte er ja nur für die Überfahrt zu sorgen. Vermutlich wollte er die zu transportierenden Personen an Land bringen, damit diese sich in Remagen die Lebensmittelmarken abholen konnten. Niedergehende Bomben töteten den Fährmeister samt seinen Nachbarn, wobei diese durch die Wucht ihrer Detonation aus dem Kahn geschleuderte wurden. An diesem Tag waren viele Kripper Rheinanlieger deswegen in Remagen, ansonsten wäre die Zahl der Bombenopfer noch höher gewesen. Valentins Frau war nicht im Kahn. Sie kam durch einen Bombentreffer in ihrem Hause um. Die tradierte Überlieferung der Kripper einer gezielten Bombardierung der Fähre ist schlichtweg falsch. Eine historische Lüge!


1. Bedeutungen des Fliegerlateins: Wolkenlos = 0/10 Total bewölkt 10/10 somit 6-8/10 = ca. dreiviertel bewölkt.

2. In Sinzig gab es 2 Brücken (Steinbrücke für die Straße in der Nähe des TÜV sowie eine stählerne Eisenbahnbrücke in unmittelbarer Nähe östlich) Gemeint ist hier die EB Brücke über die Ahr, ein monatelanges strategisches Ziel der US Bomber, weil diese als längste Brücke in der EB Linie Köln- Koblenz ein
militärischer Schwachpunkt darstellte. Hinzu kam noch das unmittelbar daran liegende Gleisdreieck im Kripper Feld zur Ludendorffbrücke. Über diesen EB-Knotenpunkt lief die gesamte militär. Versorgung der Westfront. Ab der Invasion war dieser wichtige militärstrategische Punkt ein dokumentiertes tägliches Angriffsziel des US-Bomber zur Nachschubunterbrechung.

3. Der genaue Zeitbeginn des Bombeninfernos ist in den mir vorliegenden Militärunterlagen (Einsatzbefehl 9 mit 15.46 h dokumentiert. Der Startflughafen war nicht, wie wir erst bei unserem Besuch im Nationalarchiv irrtümlich feststellen mussten, in England, sondern der 385 km von Kripp entfernte französische Flugplatz Beauvaise-Tille bei Paris.



Tagebuch Lager Kripp-Sinzig 1945


von Horst Krebs


Im Jahre 2009 sprach ich mit Professor Otfried Wagenbreth über seine Zeit im Kriegsgefangenenlager Kripp-Sinzig. Seine Aufzeichnungen über diese Zeit sind zu lesen in den Bonner Geschichtsblätter Band 51/52.


Die Aufzeichnungen von Otfried Wagenbreth über seine Gefangenschaft im Lager Kripp bei Sinzig vom 3. Mai bis 1.Juni 1945 über einen Zeitraum von 4 Wochen, sind ein erschreckendes Zeugnis des Hungers und der völlig unzureichenden Unterbringung der deutschen Kriegsgefangenen. In ihrer Ausführlichkeit ist der Text von äußerster Seltenheit. Die Zeichnungen, die Professor Otfried Wagenbreth als 18 jähriger im Gefangenenlager Kripp/Sinzig anfertigte, schickte er mir 2009 zu. Ich danke ihm recht herzlich für die Bearbeitung meiner Manuskripte und die Zusendung seiner Handzeichnungen..


17.IV.1945 Dienstag


Mittags 12 Uhr hatte mich ein Ami aus meinem Loch (bei Alterode im Harz) herausgeholt. Mit Gleser zusammen den Rucksack auf dem Rücken, zogen wir nun vor dem Ami in Alterode ein, wo wir die weiße Fahne vom Hause des Bürgermeisters gleich am Ortseingang sahen. Zusammen mit dem Landgendarm Saupe, einem Bergisdorfer (Bergisdorf bei Zeitz), steckte man uns ins Amtszimmer des Bürgermeisters, wo wir Taschenmesser, Waffen usw. abgeben sollten. Die Durchsuchung war ganz lässig, meinen Rucksack hat mir ein Ami durchsucht. Allmählich wurden wir mehr und in den Kartoffelkeller gesteckt. Hierher kamen noch einige Zivilisten mit Verpflegung, Gepäck und Auskünften. Mancher ließ sich noch sein Gepäck aus dem Quartier bringen. Plötzlich ging die Tür auf und herein kam Kampfgruppe Kusch. Außer der Gruppe Uffz. (Unteroffizier), Alverden, also Kusch, Uffz., Lange, Sommerfeld, Scholz, Mager, Heß, Trebst, Knoth. Von einem Jungen ließ ich mir noch meinen Brotbeutel aus meiner Regenröhre holen. Gegen 14 Uhr fuhren wir im LKW über Sylda nach Quenstedt, von dort weiter nach Hettstedt, wo wir bis zum Abend in einem Hof lagen, etwa 500 Mann. Abends im Omnibus über Leimbach-Klausstraße, an Gräfenstuhl-Saurasen vorbei, durch Rammelburg, wo noch ein bewegungsfähiger SPW (Schützenüpanzerwagen) aus unserer Rommelburger Zeit da stand, Friesdorf nach Wippra, wo man sogar die Wipperbrücke gesprengt hatte. In Wippra in einem größeren offenen Gatter übernachtet. Dabei eingeregnet.

18.IV. 1945 Mittwoch


Früh von Wippra über Sangerhausen nach Artern. Dort nach Durchschleusen endloser Gefangenenreihen vor der Zuckerfabrik erste Verpflegung: 1 Büchse Fleisch mit Gemüse, 1 Büchse Keks, Zucker u. Bonbons, Mittags fahren 32 LKW mit uns Kurs West. Sangerhausen, Nordhausen, Sollstedt, Heiligenstadt, Hann. Münden, Kassel, Warburg bis nach Wellda, wo wir im Dunkeln ankamen und wieder in einem großen Stacheldrahtkäfig übernachteten. Besonders die Fahrt von Nordhausen bis nach Hann. Münden war ein Erlebnis für mich. Nur für mich waren die vielen alten romanischen Dorfkirchen in wuchtigem Bruchsteinbau, Bennungen, Pustleben, Elende, dazu die Kalischächte (Pustleben, Obergebra, Sollstedt), die als kleinere allein stehende Werke in der Stufenlandschaft als Muschelkalk und Buntsandstein stehen, wie sie die Hainleite in auffälliger Weise darstellt. Der Kalischacht Obergebra ist neuerdings Munitionsfabrik gewesen, von Heiligenstadt bis Hann. Münden wurde die Landschaft zum Z.T., das Werratal, durch die hohen, felsigen, bewaldeten Bergformen des Buntsanddteines bestimmt. In Wellda führten uns dann die Schwarzen, die als Fahrer eingesetzt waren, mit lautem Geschrei in die Käfige.


19.IV.1945 Donnerstag


Heute früh bei Morgengrauen sahen wir erst die ganze Ausdehnung des Lagers, es waren drahtumzäunte Käfige, zusammen mehrere hundert Meter lang und breit. Und nun, noch war es fast dunkel, loderten im Lager überall kleine Feuer auf, die die Gefangenen nach der kalten sternenklaren Nacht erwärmen sollten. Ein gespenstisches Bild, die vielen kleinen, roten flackernden Lichter, die vielen grauen Rauchfahnen.. Bei uns standen Kameraden gruppenweise zusammen und machten sich durch Herumtreten warm. Wir Alteroder waren auch zusammen geblieben. Als nun in dieser Stimmung, bei der völligen Ungewiss-heit unseres Schicksals, plötzlich aus einem benachbarten Lager das Lied „Am Brunnen vor dem Tore“ herüber klang, gesungen von mehreren dutzend Soldaten, konnte man wehmütig an die vergangenen besseren Zeiten denken und hoffen, dass der entscheidende Schritt wieder zu besseren Zeiten nicht allzu lange auf sich warten lassen würde. Am Tage versuchte ein Ami, anscheinend ein guter Psychologe, durch eine politische Unterhaltung Leute herauszu-bekommen, von denen sie etwas erfahren können. Der Krieg würde nicht mehr als 14 Tage dauern, Österreich sei selbstständig, wie er sagte. Besonders scheint sich der Ami für den Ausbau des Obersalzberges (Hitlers Anwesen in Berchtesgaden) zu interessieren.


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Wir empfingen früh und abends Verpflegung, was so geschah, dass der Käfig in Doppelreihe in einem anderen, freien geführt wurde, wobei jeder eine Papppackung bekam. So wechselten wir also bei jedem Verpflegungsvorgang den Käfig, so dass es sich nicht lohnte, sich für die Nacht Löcher und Bunker zu bauen. Wir bekamen eine Packung zu jeder Mahlzeit. Es gab entweder Breakfast, Dinner oder Supper. Das Breakfast besteht aus einer Büchse Eierkonserve mit Fleisch, 8 Keksen, Kaffeepulver, Früchtebonbon, Kaugummi und Zigaretten. Dinner besteht aus ebensolcher Büchse Käse, gleicher Menge Keks, Kaugummi, Zigaretten, Zucker, dazu Limonade-Pulver, Streichhölzer und Sahnebonbons. Supper besteht aus ebensolcher Büchse Fleisch, gleicher Menge Keks, dazu 3 Würfel Schokolade, Bouillon-Pulver, Zigaretten, Kaugummi und Klosettpapier.


20.IV. 1945 Freitag


Bei Sonnenschein in Wellda; die Verpflegung wieder zwei Packungen


21. - 24.IV. 1945 Sonnabend bis Dienstag


Bei Nordwestwind mit Schauern das übliche leben. An Verpflegung je Tag nur eine solche Packung. Für den Ami bedeuten alle drei Packungen zusammen eine Tagesration


25. IV. 1945 Mittwoch


Wetter wie bisher, an Verpflegung mussten wir uns zwei großen Pappkartons, die Tagesration für fünf Amis unter 18Mann teilen. Das wurde vielseitiger als bisher, mengenmäßig aber entsprach es dem bisherigen. Nur die Teilerei war unangenehm. Die Einzelpackungen schienen alle zu sein.


26. - 28.IV.1945 Donnerstag - Sonnabend


Das Wetter wechselte von Nordwestwind über einen schönen Tag zu Südwest-wind. Verpflegung gab es an jedem Tag 112 g Schokolade in festen Packungen aus Wachspappe. 600 kal. enthielt diese Tagesration.


29. IV. 1945 Sonntag


Südwestwind. 112 g Schokolade, dazu abends deutsche Verpflegung: 1 Tuben-käse, wie in Naumburg, und 12 Zwiebäckse.


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30. IV. 1945 Montag

Südwestwind. 4 Zwiebacks, Konservenbüchse Käse (800 g zu 5 Mann)


1. V. 1945 Dienstag


Südwestwind, 8 Zwiebäcke, jeder eine 800 g Käsebüchse


2. V. 1945 Mittwoch


Heute könnten wir in Wellda 14-tägiges Jubiläum feiern. Viele waren schon vorher abtransportiert, auch Knoth und Gläser hatten wir verloren. In LKW´s und Bahn kamen die Gefangenen in Stammlager. Auch unser Käfig, wo wie auch in anderen etwa 6000 Mann lagen-ganz Wellda fasste in den vollsten Zeiten 30000 Mann, war oft dran, nur wegen Drängelei nahm der Ami stets einen anderen Käfig dran, so daß wir mit zu den letzten Welldaern gehörten, die heute abtransportiert wurden. Wir drei, dazu Kusch und Jäger, Kanther waren noch beisammen. Beim Verladen auf die 100-Mann-LKW´s gab es Verpflegung: 8 Zwiebäcke und wieder eine 800 g Käse-Büchse. Schwarze Fahrer fuhren uns dann von Mittag an über Warburg, Gießen, Wetzlar, Weilburg, Limburg, die Autobahn nach Linz am Rhein. Dort nachts 2 Uhr über den Rhein, dessen breite Wasserfläche sich im Scheinwerferlicht bläulich wiederspiegelte. Am anderen Ende der Pontonbrücke lag Ahrweiler, wo wir nach kurzem hin- und herfahren in ein großes Lager kamen.

Die Fahrt Wellda-Ahrweiler wurde uns zu einem einzigartigen Erlebnis. Vierzehn Tage hatten wir in Kälte und Hitze, bei Regen und Sonnenschein, bei Schlamm und Staub, bei Tag und Nacht in Wellda unter freiem Himmel gelegen. Hauptbeschäftigung war essen, nebenbei las ich etwas (Erdbild und Erdzeitalter, Atom und Kosmos) und schließlich musste ich anfangen, Läuse zu knacken. Nun fuhren wir auf einmal durch die frisch grünende Maienlandschaft, die bewegten Buntsandsteinhügel leuchteten in hellem Grün mit den Feldern um die Wette. Als wir durch einen Wald fuhren, waren die reinen Zweige fast zum Greifen nahe. Und in dieser Landschaft lagen saubere Häuser und Dörfer, wie glücklich mußten die Menschen sein, die sich hier frei bewegen konnten!


In Volkmarsen sahen wir auf dem Berg die alte Ruine, in Arolsen das barocke Schloß (oder Kloster), das mich an viele Orte erinnerte, die ich in glücklichen Jahren besichtigt oder gezeichnet hatte: Bayreuth, Würzburg, Gößweinstein. (auf Reisen in den Schulferien mit den Eltern)- Der ganze Ort war planmäßig beiderseits einer Hauptstraße in Barock erbaut worden. Bei einem Halten in Mehlinghausen bekamen wir die Liebe der Bevölkerung, die auch sonst stets winkte, zu spüren. Unser LKW hielt vor einer Bäckerei: es dauerte nicht lange, und die Bäckersfrau brachte Brote über Brote heraus, für unseren Wagen mindestens 12, die, zwar noch warm, uns gut schmeckten, da wir über 14 Tage keines gegessen hatten. Wir drei und Kanther hatten ein ganzes Brot und reichten damit bis kurz vor Limburg. Von der anderen Seite wurden zwei Würste hoch gereicht, auch kleiner Stücke Brot kamen viel auf den Wagen geflogen, Äpfel, Zigaretten. Ich teilte mir mit einem eine eingepackte Fettschnitte, die mir gegen die Lippen geflogen war.

Die Fahrt ging weiter durch das schöne Ittertal, anschließend das Edertal aufwärts, eine Landschaft, deren Schiefergebirgscharakter nicht zu verkennen war.

Die Fahrt ging weiter durch das schöne Illertal,anschließend das Edertal aufwärts,eine Landschaft, deren Schiefergebirgscharakter nicht zu verkennen war. Von Frankenberg an war die Landschaftsform durch den Buntsandsteinkies bestimmt, bis nach Gießen-Wetzlar. In Marberg war das Bahnhofsviertel schlimm zerstört, aus einem Russenlager tönte uns ein wüstes Geheul entgegen.

Schon in Frankenberg, auffälliger aber bis nach Limburg weiter, zeigten die Dörfer und Kleinstädte in ihren Fachwerkhäusern echt hessisches Gepräge; abgesehen von mir aus Ostthüringen unbekannten Schnitzereien und Malereien der Felder ist auch die Anwendung der Balken ganz anders, als ich bisher kannte.

Jenseits des Lahntales, zwischen Gießen, das übrigens schwer zerstört ist, besonders am Bahnhof, und Wetzlar lagen zwei Burgen auf spitzen Kuppen, von denen ich leider nichts näheres erfahren konnte. (Offenbar die Burgen Gleiberg und Vetzberg)

Hinter Wetzlar fuhren wir an der Burg Braunfels vorbei, einer mächtigen Anlage mit großem Bergfried hoch auf einer Kuppe, anscheinend allerdings vor einiger Zeit unsachgemäß (gemeint ist historisierend) erneuert.

Vor Weilburg ging der Blick weit über die beschwingten bis in den blauen Dunst des Horizontes hintereinander liegenden Bergzüge des Landes zwischen Lahn und Rhein. Als wir den Berg nach Weilburg hinein fahren, also ins Lahntal hinunter, kamen wir an einen kleinen Schacht vorbei, von dem ich – wie sich später herausstellte, richtig, vermutete, dass dort Roteisen abgebaut wurde. Tagesanlagen waren kaum vorhanden. Von der Straße sah ich auch jenseits Weilburg noch einen Schacht. Unten in Weilburg wurden wir von dem schönen Schlossbau überrascht, der hauptsächlich der Renaissance angehörte und in den Terrassen eine gepflegte Sauberkeit zeigte. Nach einer Inschrift gehörte Weilburg zu Hessen-Nassau. Das Schloß zeigte auf der Fahrt zur Lahn hinunter und drüben den Berg wieder hinauf immer wieder seine abwechslungsreiche Schönheit, wozu die ganze Lage zwischen den steilen Bergen des Lahntals viel beitrug. Hinter dem nächsten Dorf in Richtung Limburg fuhren wir noch mal an einem Schacht vorbei, wo ich die von Roteisen rot gefärbten Klärbecken sah.Von diesem Schacht führte eine Seilbahn in Richtung Weilberg weg, vielleicht zu einem Bahnhof im Lahntal?

Dem Limburger Dom sahen wir von der Ferne über der Stadt in der waldlosen Landschaft. Kurz vor Limburg bogen wir auf die Autobahn ein, fahren in Richtung Köln, bis wir wegen einer gesprengten Brücke wieder herunter mussten. Bei Dunkelheit kamen wir durch die ersten umkämpften Dörfer des Rheinlandes, und um Mitternacht fuhren wir in steilen Serpentinen zum Rhein hinunter. Gegen 3 Uhr früh waren wir im neuen Lager. (Die gesamte Zeit in Wehrmacht und Gefangenschaft war ich mit meinem Schulfreund H.U.Trebst zusammen. Nachdem wir uns bei der Ankunft im neuen Lager nachts unterhalten hatten, stand früh E.H.Amberg, ein gemeinsamer Schulfreund vor uns, der zwar im Raum Riesa-Meißen an der „Ostfront“ eingesetzt war, aber dann auch irgendwie nach Sinzig gekommen war.)



Schematischer Schnitt durch die selbst geschaffene Unterkunftfür drei Mann im Kriegsgefangenenlager Sinzig


3.V. 1945 Donnerstag


Als erstes stellten wir drei uns zwei Stunden nach Wasser an, noch eine primitive Geschichte für die Größe des Lagers! Jeder schöpft das stark gechlorte Wasser selbst aus dem Behälter. Später bekam jeder Käfig (je 700 Mann etwa) eine Leitung mit vier Hähnen, wo Rheinwasser, allerdings desinfiziert, floß. Das Wasser holen blieb aber trotzdem ein Kapitel für sich. Bei Sonnenschein wurden wir sortiert, Jugendliche bis zu 18 Jahren auch für sich. Als 7.Tausendschaft, 1.Hundertschaft bei der 8-Gruppe mit Klaus als Gruppenführer (10 Mann) kamen wir ins Jugendlichen-Camp, wo wir noch am selben Abend, für fünf Mann eine Grube zu graben, mit Löffeln und Konservenbüchsen!


Verpflegung 2 Eßlöffel Büchsenfleisch, 2 Eßl. Erbsengemüse, 1.5 Eßl Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee, 2Eßl. Bouillonpulver, Milchpulver, Zucker und Kaffee aß ich trocken gemischt, das andere kalt, Bouillon mit Wasser angerührt.


Die Verpflegung wurde wie folgt verteilt: In jedem „Käfig“ lagen etwa 5000 Mann. Diese waren in Tausendschaften, Hundertschaften und Zehnergruppen eingeteilt. Die angelieferte Verpflegung wurde entsprechend auf die Tausendschaften, Hundertschaften und Zehnergruppen verteilt, von deren Gruppenführern dann, unter den Augen der Gruppenmitglieder, auf die Einzelnen. So ergaben z.B. 70 Rosinen für die Zehnergruppe 7 Rosinen für den Mann, entsprechend 15 Esslöffel Milchpulver für die Zehnergruppe 1.5 Esslöffel pro Mann.


Originalaquarell von Otfried Wagenbreth aus dem Gefangenenlager Kripp/Sinzig. Vorne der Zaun, dahinter die Büsche am Ufer der Ahr, das Dorf Kripp mit Wasserturm und Kirche. Er dachte zuerst, der Ort sei Sinzig, strich diesen Namen dann durch und schrieb Kripp darunter. Titel: Morgen über Kripp am Rhein. 2.V.1945


4.V. 1945 Freitag


Wir drei bauten unsere Höhle weiter, Kanther und Horst (ein Kassler, den wir hier kennenlernten) ihre nebenan, durch eine Sicherheitsmauer getrennt. Mit Löffeln und Büchsen, wie gestern, kamen wir heute etwa 40 Zentimeter tief, dazu kam dann noch die Höhe des Walles ringsherum, so dass wir abends vor einer ansehnlichen Grube standen. Bloß für die Beine war sie etwas zu kurz.

Wetter wie gestern.


Verpflegung 50g Weißbrot, ½ Eßl Käse (beides zusammen, schmeckte wie Kuchen), 1.5 Eßl Corned Beef, 1.5 Eßl. Sauerkraut (beides kalt im Koch-geschirrdeckel gegessen), Milchpulver, Zucker, Kaffee (trocken gemischt gegessen), Bouillon (kalt angerührt), 1 Kartoffel


5. V. 1945 Sonnabend


Südwestwind, teils Regen. Wir bauten unsere Höhle weiter, mit Wllhöhe 80 cm tief, höhlten am Kopfende in der Länge weiter aus, um für die Füße Platz zu bekommen, und decken abends provisorisch mit zwei Dreieckzeltbahnen über einem Stacheldrahtgeflecht.


Verpflegung Corned Beef, Sauerkraut, Erbsengemüse (zusammen im Kochgeschirrdeckel), Milchpulver, Zucker, Kaffee (trocken gemischt), Bouillon, Marmelade, 1 Kartoffel (roh dazu), 1/12 l Most


6. V. 1945 Sonntag


Regnerisch, bewölkt. Früh war Entlausung am anderen Ende des Lagers, das war ein Marsch. Über 1 km ist das Lager lang, für mehrere 10000 Mann. Am Zaun in großen abständen Hochstände zur Bewachung. Wir deckten unsere Höhle besser mit den zwei Zeltbahnen. Zum Zudecken hatten wir unter diesen Viereckzelten für die Füße und zwei Decken. Abends, wie in Zukunft fast jeden Tag, eine rege Flugtätigkeit, besonders 4-motorige Bomber (Liberator, Fortress), dazu Lightning u.a., meist niedrig.


Verpflegung 2.5 Eßl. Fleisch mit Möhren, 2 Eßl. Erbsen, 1.5 Eßl. Spinat (kalt im Kochgeschirrdeckel), 1 Eßl. Rote Rüben, 1 Eßl. Tomatenkompott (in einer Konservenbüchse als „Nachtisch“), 1.5 Eßl. Erbsenpulver, 7/10 Trocken-aprikosen (7 für 10 Mann!), 1Eßl. Fett (roh gegessen), 2.5 Eßl. Milchpulver, 2 Eßl. Eipulver (mit wenig Wasser kremartig angerührt und kalt gegessen), 3 Kartoffeln, die Butterdose voll Trockenkartoffeln.


7. V. 1945 Montag


Sonnenschein, Ostwind, Fußschmerzen durch Erfrierung in dem nasskalten Wetter in Wellda und hier.


Verpflegung 3 Eßl. Fleisch und Gemüse, 1.5 Eßl. Erbsen (kalt im Koch-geschirrdeckel), 2 Eßl. Milchpulver, 4.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee (kalte Krem in der Butterdose), 1 Eßl. Apfelmus, 1.5 Eßl. Nudeln (roh), 7 Rosinen, 1 Eßl. Zitronenpulver (mit Wasser angerührt), 3 Kartoffeln. - Die Verpflegung gab es stets abends, wir aßen sie abends auch auf, bis auf Kartoffeln, Trockenkartoffeln oder ähnliches, was wir immer am nächsten Vormittag aßen.


8. V. 1945 Dienstag


Sonnenschein, Fußschmerzen, Durchfall. Auf Anweisung des Reviers kühle Umschläge, kurze Sonnenbäder, Gehversuche, Fußerfrierung ist jetzt hier all-gemeines Leiden.


Verpflegung mittags je ein Eßl. Fleisch, Erbsen, Zucker, Milchpulver (teils kalt, teils wieder mit wenig Wasser als Krem gegessen), 2 Kartoffeln. Abends: 3 Eßl. Fleisch mit Gemüse, 3 Eßl. Bohnen, 1 Eßl. Spinat (kalt im Kochgeschirrdeckel), 2.5 Eßl. Milchpulver, 2 Eßl. Zucker (Krem in der Butterdose), 1.5 Eßl. Tomaten („Nachtisch“), ½ Eßl. Fett, 2 Eßl. Tee, ¼ Eßl. Zitronenpulver (eingerührt)


Titel des Aquarells: Linz am Rhein. Vorne der Rhein, dahinter der Kirchturm von Linz mit dem Kaiserberg. 9.V.1945

Durch Lautsprecher erfahren wir vom Kriegsende. Nachdem wir auf der Fahrt hierher von Hitlers Tod erfahren hatten, hörten wir jetzt vom Waffenstillstand mit Dönitz. Hitler sollte nach dem ersten Gerücht beim Kampf um die Reichs-

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Kanzlei, nach dem zweiten in Berchtesgaden, nach dem dritten durch Selbstmord, nach dem vierten durch Gehirnblutung ums Leben gekommen sein.



9. V. 1945 Mittwoch


Sonnenschein, Fußschmerzen, Fußbad in einer Schlammpfütze.

Verpflegung je 1 Eßl. Fleisch, Fisch, Spinat (im Kochgeschirrdeckel), 1 Eßl. Tomaten (Nachtisch), 1 Eßl. Grieß, 2 Eßl. Milchpulver (kalt als Krem), 2 Eßl. Tee, 1.5 Eßl. Salz, 2 Trockenaprikosen, 1 Tüte Brausepulver, 2 Eßl. Erbspulver, 1 Eßl. Käse, 7 Kartoffeln.


10. V. 1945 Donnerstag


Sonnenschein, Fußschmerzen, rohen Kartoffelbrei gemacht, wozu ich als Kartoffelreibe einen Büchsendeckel durchlöcherte. Leere Konservenbüchsen und Stacheldraht lagen überall herum. Die Büchsen dienten als Behältnisse und wurden zum Zeitvertreib oft mit mustern graviert.


Verpflegung 1.5 Fisch, 1.5 Eßl. Sauerkraut, 1.5 Eßl. Erbsen (im Kochgeschirrdeckel), 1 Eßl. Tomaten („Nachtisch in der Konservenbüchse“) 1.5 Eßl. Milchpulver, 1 Eßl. Grieß, 1 Eßl. Zucker, (als Krem), 1.5 Eßl. Eipulver (mit wenig Wasser, gesalzen, als Krem am nächsten Vormittag), ¼ Eßl. Zitronenpulver, 1 Eßl. Käse, ½ Eßl. Fett, 8 Kartoffeln, 1/10 Paket Milchpulver.


11. V. 1945 Freitag


Umzug aus unserem Lager in Camp 4, wo wir eine bessere Höhle vorfanden,die wir aber wegen des anhaltend schönen Wetters gar nicht erst deckten. Jetzt hatten wir direkten Blick auf das andere Rheinufer.


Verpflegung 1 Eßl. Tomatengemüse, sonst nichts Feuchtes. 2 Eßl. Nudeln, 2 Eßl. weiße Bohnen, 1 Eßl. Grieß, 1.5 Backpflaumen, ½ Eßl.Zitronenpulver, 1/3 Eßl. Fett, 1 Eßl. Erbspulver, 1.5 Eßl. Bratlingspulver, 1.5 Eßl. Eipulver, 1.5 Eßl. Kaffee, 2 Eßl. Milchpulver, 1 Eßl. Trockene Rote Rüben, 1.5 Eßl. Zucker, (nur Krem in der Butterdose angerührt, alles andere teils roh, teils aufgehoben)


12. V. 1945 Sonnabend


Schönwetter, Fußschmerzen, Durchfall


Verpflegung 1.5 Eßl. Fleisch und Gemüse (im Kochgeschirrdeckel), 1.5 Eßl Haferflocken, 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 1.5 Eßl. Kaffee (in der Butterdose als dicke, kalte Suppe, die Dose halb voll), 1 Eßl. Erbsenpulver, 1 Eßl. Bouillon (teils aufgehoben, teils kalt angerührt), 2 Eßl. Weizen (roh), 9 Rosinen, ½ Eßl. Zitronenpulver, ½ Eßl. Fett, 2 Eßl. Trockengemüse.


Es war kein Kochen im üblichen Sinne, denn dafür fehlten Öfen und Brennstoff. Es war nur ein anwärmen. Als Öfen benutzten die Gefangenen leere 1-Liter oder 2-Liter Konservendosen, bei denen in halber Höhe aus Stacheldrahtstücken ein Rost und darunter seitlich ein Zugloch eingestochen wurde. Brennmaterial waren Papierreste oder kleine Holzstücke, sofern man solche fand.. Ein benachbarter Gefangener benutzte als Brennstoff die bis ins Lager geretteten Liebesbriefe.

13. V. 1945 Sonntag


Schönwetter, Fußschmerzen,2 Std. nach Wasser gestanden, das ganze Lager marschierte an einer Ärzte-Kommission vorbei, die die Schwächsten aussuchte.


Verpflegung 3 Eßl. Corned Beef, 1.5 Eßl. Spinat (Kochgeschirrdeckel), 2 Eßl. Trockengemüse (Möhren, roh), 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 1 Eßl. Kaffee (kalte Suppe in der Butterdose), 2 Scheiben Kommißbrot, ½ Eßl. Zitronenpulver, ½ Eßl. Erbsenpulver, 1.5 Eßl. Bratlingpulver, 2 Eßl. Weizen, ½ Eßl. Fett, 10 Kartoffeln.


14. V. 1945 Montag


Schönwetter, Zählung und Aufstellung der Jugendlichen nach Heimatgauen, was natürlich zu Gerüchten über Entlassung Anlass gab.


Verpflegung 3 Eßl. Corned Beef, 2 Eßl. Sauerkraut, 1 Eßl. Bohnen (im Koch-geschirrdeckel), 1 Eßl. weiße Bohnen, 1 Eßl. Bratlingspulver, 1 Schluck Apfel-most, ½ Eßl. Zitronenpulver, 2 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee (Krem), 2 Eßl. Eipulver (am nächsten Vormittag als salzige Krem)


15. V. 1945 Dienstag


Schönwetter. Nach langem Holz-Organisieren kochten wir uns eine Suppe aus Kartoffeln, seit gestern eingeweichten Bohnen der Vortage, Erbsenpulver und Bratlingspulver, was sich anders kaum verwerten ließ.


Verpflegung 3 Eßl. Fleisch, 2 Eßl. Erbsen, 2Eßl. Sauerkraut (Kochgeschirr-deckel), 50 ccm Trockengemüse (zum Kochen aufgehoben), ½ Eßl. Rosinen, 1 Eßl. Käse, 1.5 Eßl. Salz, 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 1 Eßl. Kaffee (kalte Suppe) 1.5 Eßl. Erbspulver, 1 Eßl. Weizen (abends geröstet), 1 Zitronenpulver, 1.5 Eßl. Eipulver (salzige Krem für morgen), 1.5 Eßl. Marmelade, Seife, abends kochten wir noch einmal eine dünne Erbs- und Bratlingpulversuppe mit Kartoffelstücken.


16. V. 1945 Mittwoch

Schönwetter, Zählung nach Heimatgauen und Aufteilung, danach in neue Tausendschaften. Wir 4 Zeitzer sind jetzt 28. Hundertschaft, 2. Gruppe. Gerüchte über Entlassung sprachen vom 17. und 18. Am 18. sollte das Lager leer sein. Eisenhower soll den deutschen Müttern für den 20. ihre Kinder versprochen haben. Nach einem anderen Gerücht hat dasselbe Frau Roosevelt getan. Wir zogen um, in einer ebenso schönen Höhle in der Nähe des Reviers (Zeltgruppe).


Verpflegung 1.5 Eßl. Spinat, 1 Eßl. Tomaten (Kochgeschirrdeckel, 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee (kalte Suppe), ½ Kochgesschirr-deckel Nudeln (kalt eingeweicht), 5 Pflaumen, 1 Eßl. Erbspulver, 1 Eßl. Zitronenpulver, 1.5 Eßl. weiße Bohnen, 1 Eßl. Weizen, 10 Kartoffeln.


17. V. 1945 Donnerstag


Mit Entlassung der ersten war nichts. Sonnenschein. Als Arbeitskommando Schamottsteine aus einer 1 km entfernten Fabrik geholt, pro Mann 2 Ziegelsteine. So weit bin ich im vergangenen Monat nicht gelaufen! Es tat aber einmal gut! Durchfall, Kohle aus dem Revier geholt. Zweimal kochten wir Kartoffelsuppe, das erste Mal mit den weißen Bohnen.


Verpflegung 2.5 Eßl. Corned Beef, 1.5 Eßl. Tomaten (Kochgeschirrdeckel), 1.5 Eßl.Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee, 1 Eßl. Rosinen (kalte Suppe), 4 Scheiben Weißbrot ( für morgens früh), ½ Eßl. Fett, 1 Eßl. Erbspulver, 1 Eßl. Roggenmehl (mit in der kalten Suppe), 1.5 Eßl. Weizen (roh und geröstet), 1 Eßl. Trockene Rote Beete, 2 Eßl. Trockenkartoffeln (roh), 1.5 Eßl. Nudeln (gegen Milchpulver getauscht), 1.5 Eßl. Schwarztee.

Anmerkung: Wenn überhaupt, gab es in der Gefangenschaft nur das lockere, nicht sättigende amerikanische Weißbrot. Schwarzbrot bekamen wir erst wieder bei der Heimfahrt in Form der uns von der Bevölkerung in unsere Eisen-bahnwagen (offene Güterwagen) geworfenen Brotpäckchen. Das erste Schwarzbrot nach 8 Wochen: Ein unbeschreiblicher Genuss!


Heute früh erlebte ich einen prächtigen Sonnenaufgang über den Rheinbergen gegenüber von uns. Erst waren die Federwolken nur in violetter Farbe schwach vor dem gelben Himmel zu unterscheiden., dann leuchteten die Wolken kräftig rot in großer Breite, bis die Sonne schließlich wieder das Blau hervortreten ließ und nur noch die leichten Wolken in einem zarten Orangerot erschienen. Das versuchte ich schnell in einem kleinen Aquarell festzuhalten. (Farbkasten, etwas Papier und etwas Lektüre hatte ich in Gefangenschaft mitnehmen können)

18. V. 1945 Freitag

Schönwetter, abends aber ein langes Gewitter mit mehreren Regengüssen, die unsere Höhle in ein Schlammloch verwandelten. Keine Entlassung. 1. Tausendschaft „auf Transportfähigkeit untersucht“. Die Offiziere wurden abtransportiert und das, nachdem ich gestern von Mager aus Borna, den ich zufällig hier getroffen hatte, erfahren hatte,, dass Hpm. Schütze (Major Sch., unser Batteriechef bei der Heimatflak – Fliegerabwehr 1943/44) hier lag, abends wie Major Reis. -Durchfall- , dagegen mit geringem Erfolg Holzkohle gegessen. - Beim Gewitter zwei kleine Wolkenaquarelle gemalt, morgen früh fertig gemacht.


Titel: Sonnenaufgang am Rhein. Es zeigt den Ort Dattenberg mit Kirche, gemalt am 17.V.1945

Verpflegung: 1,5 Eßl. Fleisch, 2 Eßl. Spinat (gegen Tomaten vertauscht), 1.5 Eßl Tomaten (Kochgeschirrdeckel), 4 Scheiben Kommißbrot, ½ Eßl. Fett, (Brot, Fett und Fleisch zusammen gegessen), 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 1.5 Eßl. Haferflocken, 2 Eßl. Kaffee (kalte Suppe), 1.5 Eßl. Weizen (teils roh, teils erst gekaut, dann als Oblate geröstet) 1 Eßl. Erbspulver, 3 Eßl. Nudeln (Nudelsuppe gekocht).


19. V. 1945 Samstag


Die Oberschlesier sollten wegkommen. 2.Tausendschaft untersucht. Abends Gewitter


Verpflegung: 2.5 Eßl. Corned Beef, 2 Eßl. Sauerkraut (Kochdeckelgeschirr), 1.5 Eßl. Tomaten („Nachtich“), 3 Backpflaumen, 4 Scheiben Kommißbrot, ½Eßl. Käse, ½ Eßl. Fett (zusammen gegessen), 1.5 Eßl. Milchpulver, 1.5 Eßl. Zucker, 2 Eßl. Kaffee (kalte Suppe), 2 Eßl. Nudeln (gegen Milchpulver getauscht), 1.5 Eßl. Eipulver (morgen früh gegessen), 2 Kartoffeln, 1 Eßl. Erbsenpulver. Abends bekamen die 28., 29, und 30. Hundertschaft pro Mann 1 Konservendose Suppe mit Fleisch und weißen Bohnen, allerdings sehr dünn.


20. V. 1945 Pfingstsonntag


Nichts war´s mit Entlassung! Wir zogen in Camp 18, weil Camp 4 Entlassungs-camp werden soll. Unsere neue Wohnung liegt weiter rheinaufwärts, ein weiter Weg. Abends begann Regenwetter und bei mir Durchfall schlimmster Sorte.


21. V. - 23. V. 1945


Regenwetter und Wasser artiger Durchfall. Schließlich bauten wir uns ein Zelt, wo wir unter 7 Mann eng Platz hatten. Gegen den Durchfall nahm ich Natron und aß sparsam die Mahlzeiten, das Brot hob ich bis zum nächsten Morgen auf. Daraufhin brauchte ich 8 Tage nicht aufs“Klosett“ (in Wellda war ich allerdings überhaupt nicht!).


24. V. Bis 26. V. 1945


Das Wetter besserte sich. Südwestwind mit seltenen Schauern. Ich wusch mich mal wieder und konnte meine Sachen trocknen. In diesen Tagen merkten wir, was es bedeutet, auf andere Gedanken als auf Essen, Wetter und Entlassung zu kommen, was ich für mich schon in Camp 4 gesehen hatte. Heiner (Amberg, Pfarrerssohn) las oft im Zelt aus dem Neuen Testament vor, was bestimmt unsere Gemüter in gutem Sinne beeinflusste. Am Sonnabend zogen die 17 bis 19 jährigen in Camp 20 um, wie es zuerst den Anschein hatte, nur für wenige Stunden, es sollte aber eine Woche werden. Im Camp waren noch über 50-jährige, wie bisher jedes, sollte dieses Camp das sein, was zuerst entlassen werden sollte.


27. V. 1945 Sonntag


Auf die Unordnung von gestern hin wurden heute früh 5 Min. vor dem Brotempfang Hundertschaftsführer eingeteilt, der natürlich seine Gruppen-führer nicht kannte, so dass ein Betrüger unser Brot für die Gruppe abholte und wir in die Röhre guckten. Nachdem wir schon um die Plätzchen im Camp 18 betrogen wurden, für die wir Mehl, Rosinen, Natron u.a abgegeben hatten! Die Hundert- und Tausendschaftsführer aßen jedenfalls. Und dabei hatte es pro Mann 1/3 Brot (von 1 Pfundbrot) gegeben, zum ersten Mal! Die Stimmung war entsprechend.


28. V. Bis 1. VI. 1945


Am letzten Tag im alten Camp hatten wir Rolf Geißler getroffen, den wir nun mit in die Gruppe aufnahmen. (R. Geißler war auch Schulfreund. Damit waren wir in Sinzig vier aus der selben Schulklasse = 50%, da die Klasse zuletzt nur aus acht Schülern des Geburtsjahrganges 1927 bestanden hatte. Geburts-jahrgang 1926 war ein Jahr eher eingezogen worden).

Unter einer Zeltbahn schliefen Heß, Amberg, Erich, Fritz und zuerst Werner, der aber wegen Brotdiebstahls bald herausflog und Brot gekürzt bekam. Unter zwei Zeltbahnen schliefen Trebst, Geisler, Bauzeit und ich zusammen. Während wir mit Klaus in immer größere Meinungsverschiedenheiten kamen, entwickelte sich mit Rolf eine schöne Gemeinschaft in Unterhaltungen über zu Hause, über Literatur, Kunst, Kultur und Wissenschaft. Mit Klaus, der nur übers Essen zu sprechen anfing, kamen wir fast in jedem Gespräch jeglicher Art in Streit. Hier, bei schönem Wetter, nahm meine Schaffenskraft weiter zu, ich nutzte alle Zeit aus für Kunstschrift, Bücher, um zu schreiben und zu zeichnen. Ein schönes Gefühl!

Die Verpflegung wurde besser. Wir kochen wieder Bohnensuppen, ich machte mir mehre male Fleisch und Gemüse warm. Brot hob ich mir bis zum nächsten morgen auf. Es gab meistens etwa ein knappes Drittel pro Mann. Am 1.VI. Begann man, aus dem Camp die ersten zu entlassen. Die Sudetendeutschen wurden herausgerufen, dazu die Thüringer! Die Stimmung stieg demzufolge. Abends wurde bekannt gegeben, daß sich am Sonnabend-Morgen die restlichen Thüringer unbedingt melden müssten, da sie sonst nicht mit dem Thüringer Transport mitkämen. Nachdem wir erfahren hatten, dass Naumburger und Zeitzer schon durchgekommen waren, beschlossen wir, mitzuziehen, genauso Mayer als Bornaer, beim WBK Altenburg/Thür.


Aus der Erinnerung von Otfried Wagenbrecht

Herr Prof. Dr. Wolfhart Langer vom Institut für Paläontologie der Universität Bonn machte den Redakteur der „Bonner Geschichtsblätter“ 1999 auf die Tagebuchaufzeichnungen seines Fachkollegen Prof. Dr. Otfried Wagenbreth aufmerksam. Tagebuchaufzeichnungen als unmittelbare historische Quelle aus dem amerikanischen Kriegsgefangenenlager Kripp bei Sinzig sind selten. Die wissenschaftliche Literatur über das Kriegsgefangenenlager ist dürftig. Im Jahre 2009 fand dann der Kontakt mit dem Autor der „Kripper Schriftenreihe“ statt, und Herr Prof. Otfried Wagenbreth überreichte Herrn Horst Krebs die originalen Farbzeichnungen aus dem Lager Sinzig/Kripp als Reproduktion.

In dem Entlassungscamp lagen wir etwa eine Woche, die so regnerisch war, dass der Erdboden eine Mischung aus Schlamm und Gras darstellte und an den Bau einer „Unterkunft“ nicht zu denken war. An einem Tage dieser Woche fand die Entlassungsformalität statt. Dazu war in einem langen Zelt eine ebenso lange Tischreihe aufgestellt. Hinter den Tischen saßen deutsche Unteroffiziere, von denen jeder im Entlassungsschein eine bestimmte Rubrik auszufüllen hatte. Auf den Tischen lief der Entlassungsschein bis zu dem, der die letzte Rubrik ausfüllte, vor den Tischen liefen wir. Da wir uns mit als Thüringer zur Entlassung gemeldet hatten, obwohl Zeitz (12 km von Thüringen entfernt) in der preußischen Provinz Sachsen lag, gab es bei der Rubrik „Regierungsbezirk“ Schwierigkeiten. Wider besseres Wissens gaben wir „Erfurt“an, wogegen der Unteroffizier (richtig) „Merseburg“ nannte. Es kam zur Diskussion, wobei wir Angst hatten, aus der Kategorie der zu Entlassenden ausgeschlossen zu werden. Aber vor uns entstand in der Gefangenenreihe ein Vakuum, hinter uns ein Überdruck, so dass wir weiterlaufen mussten, ohne dass der Unteroffizier die Frage mit deutscher Gründlichkeit entscheiden konnte. So hatten wir das Glück, nach zwei Monaten Gefangenschaft in den Lagern Wellda und Kripp/Sinzig nach Hause zu kommen, aber erst nach weiteren Problemen.


Die Heimfahrt fand in offenen Güterwagen statt, an einem Nachmittag bei herrlichem Sonnenschein durch das Rheintal flussaufwärts. Dabei warf die Bevölkerung zahlreiche Brotpäckchen in die Güterwagen. Da es bei der Verteilung dieser Päckchen und der „amtlichen“ amerikanischer Verpflegung in unserem Güterwagen zum Streit kam, mussten drei Mann die Macht an sich reißen. Der eine bewachte die Verpflegung, der zweite fertigte eine Liste aller Wageninsassen an und hakte auf dieser den Verpflegungsempfang ab, der dritte verteilte die Verpflegung gemäß Liste.
Zu Hause dauerte es etwa drei Wochen, bis ich wieder einigermaßen zu Kräften kam.

Vermerke zum Tagebuch:

2) Bergisdorf bei Zeitz
3) Uffz. = Unteroffizier

4) Die Wipper, ein so kleiner Fluss, dass der Bus neben der gesprengten Brücke durch den Fluss fahren konnte. Die Sprengung des Brücke war also völlig sinnlos.
5) Auf der gesamten Fahrt geologische Beobachtungen gemäß meinem Hobby der Schulzeit. Selbst in solchen Situationen das Hobby zu pflegen, entsprach meiner optimistischen Grundhaltung.
6) Obersalzberg: Hitlers Anwesen in Berchtesgaden
7) Genauer: die Insassen eines Käfigs
8) Auf Reisen in den Schulferien mit den Eltern
9) Offenbar die Burgen Gleiberg und Vetzberg
10) Gemeint ist: historisierend

11) Die gesamte Zeit in Wehrmacht und Gefangenschaft war ich mit meinem Schulfreund H.U. Trebst zusammen. Nachdem wir uns bei der Ankunft im neuen Lager nachts unterhalten hatten, stand früh E.H. Amberg, ein gemeinsamer Schulfreund vor uns, der zwar im Raum Risa - Meißen an der "Ostfront" eingesetzt war, aber dann auch irgendwie nach Kripp gekommen war.
12) Schema der Wohngrube siehe Abb.
13) Die Verpflegung wurde wie folgt verteilt: In jedem "Käfig" (camp) lagen etwa 5000 Mann. Diese waren in Tausendschaften, Hundertschaften und Zehnergruppen eingeteilt. Die angelieferte Verpflegung wurde entsprechend auf die Tausendschaften, die Hundertschaften und Zehnergruppen verteilt, von deren Gruppenführern dann (unter den Augen der Gruppenmitglieder) auf die Einzelnen. So ergaben z.B. 70 rosinen für die Zehnergruppe 7 Rosinen für den Mann, entsprechend 15 Esslöffel Milchpulver für die Zehnergruppe 1.5 Esslöffel pro Mann.
14) Leere Konservenbüchsen und Stacheldraht lagen überall rum. Die Büchsen dienten als Behältnisse und wurden zum Zeitvertreib oft mit Mustern graviert.
15) Es war kein Kochen im üblichen Sinne, denn dafür fehlten Öfen und Brennstoff. Es war nur ein Anwärmen. Als Öfen benutzten die Gefangenen leere 1-Liter oder 2-Liter Konservendosen, bei denen in halber Höhe aus Stacheldrahtstückchen ein Rost und darunter seitlich ein Zugloch eingestochen wurde(siehe Abb). Brennmaterial waren Papierreste oder kleine Holzstücke, sofern man solche fand. Ein benachbarter Gefangener benutzte als Brennstoff die bis ins Lager geretteten Liebesbriefe.
16) "Amsel" war der in unserer Schulklasse übliche Spitzname für E.H. Amberg (vgl. Anm.11).

17) Wenn überhaupt, gab es in der Gefangenschaft nur das lockere, nicht sättigende amerikanische Weißbrot. Schwarzbrot bekamen wir erst wieder bei der Heimfahrt in Form der uns von der Bevölkerung in unsere Eisenbahnwagen (offene Güterwagen) geworfene Brotpäckchen. Das erste Schwarzbrot nach 8 Wochen. Ein unbeschreiblicher Genuss!
18) Farbkasten etwas Papier und etwas Lektüre hatte ich in die Gefangenschaft mitnehmen können.
19) Unser Batteriechef bei der Heimatflak (Fliegerabwehr) 1943/44.
20) Amberg Pfarrerssohn
21) 1/3 von 1 Pfundbrot, also 333 g.
22) R. Geißler war auch Schulfreund. Damit waren wir in Kripp vier aus derselben Schulklasse = 50%, da die Klasse zuletzt nur aus acht Schülern des Geburtsjahrganges 1927 bestanden hatte. Geburtsjahrgang 1926 war ein Jahr eher eingezogen worden.
23) Borna war Sachsen, gehörte aber zum WBK (Wehrbezirkskommando) Altenburg. Dieses gehörte zu Thüringen.


Hauskreuz Mittelstrasse


von Willy Weis & Hildegard Funk


Am Hausvorsprung des Hauses Mittelstrasse 2 (Einmündung Quellenstrasse) befindet sich ein auf der Fassade befestigtes Holzkreuz neueren Datums von 11 cm Balkenbreite und 4 cm Stärke. Ein ortsbezogener historischer Hintergrund oder ein besonderer Anlass für die persönlichen Hintergründe der Stifter zur Anbringung dieses Kreuzes konnte bisher nicht nachvollzogen werden. Es wurde vermutlich aus der Frömmigkeit des damaligen Hausbesitzers in Eigeninitiative erstellt. 



Fotoaufnahme mit Kreuz nach 1926 (Die Mittelstraße ist bereits gepflastert) (Slg. W. Weis) 

Über den Zeitpunkt der Anbringung liegen keine genaue Daten vor. Ein Foto dokumentiert das Vorhandensein dieses Kreuzes jedoch schon während der Nazizeit. Es ist jedoch nach dem bisherigen Kenntnisstand davon auszugehen, das eine Existenz dieses Kreuzes vor 1910 ausgeschlossen werden kann.

Kinder während der Schulzeit waren organisiert im NS-Jungvolk. Ihre instrumentale Ausstattungbestand bestand nur aus  Fanfaren und Landsknechtstrommeln.


Die Kripper Orgel


von Willy Weis & Hildegard Funk


Kripp und seine Pfeifen! Eine kleine fast 200 jährige Orgelgeschichte.


Um Anno 2008 blieb der Kripper Orgel im wahrsten Sinne des Wortes nach Jahrzehnten langen Betrieb die Luft weg. Der Grund waren altersbedingte Undichtigkeiten im Luftkanalsystem der pneumatischen Steuerung unserer Kirchenorgel mit ihren 18 Registern. Durch den entstandenen Druckabfall konnte der benötigte aufgebaute Luftdruck, der für das Öffnen der musikalisch gewünschten Pfeifenventile benötigt wird, diese nicht mehr öffnen. Die Folge war keine melodische Harmonie im Orgelspiel, was die Kripper Organistin Jutta Wendel schier zur Verzweiflung brachte und den weiteren Spielbetrieb einstellte.
Zum besseren Verständnis ist anzumerken, dass die hiesige Orgel, im Gegen-satz zu vielen anderen Orgeln, kein mechanisches Gestänge zu den Orgelpfeifen hat, welche durch Tastendruck am Spieltisch das Öffnen der Pfeifenventile direkt übertrugen, sondern einen Luftkanal, der die aufgestaute Luft durch Tastendruck auf die entsprechenden zu öffnenden Pfeifenventile überträgt.


Erste Kripper Orgel (Johannessaal)

Der präziseste Nachweis über eine Orgel in Kripp ergibt sich aus einer nicht nummerierten kleinen Blatteinlage der Archivalie LHKO 635/ 466 des Landeshauptarchivs Koblenz.. Demnach wurde ein im Kripper Johannessaal vorhandenes Orgelgehäuse, dessen Herkunft unbekannt ist, laut Notariatsakten des Amtsgerichtes Sinzig Nr. 39/ 1822 (1832?) vom 7. Oktober durch den Kantonalpfarrer und Definitor Joh. Josef Windeck und Bernhard Windeck, Rendant der Kirchenfabrik in Remagen an die Gemeinde Kesseling für 132 Thaler und 2 Groschen versteigert. Unbekannt jedoch blieb, wann diese erste Kripper Orgel angeschafft wurde.

 In von uns 1988 angestellten Recherchen in Kesseling ergaben, dass unsere ehemalige Orgel in der katholischen Kirche Kesseling von 1882 -85 durch die Fa. Richard Ibach Wuppertal erweitert wurde. Die starke Abnutzung der Klaviatur lässt den Schluss zu,dass diese Orgel vor dem Einbau in Kripp schon aus zweiter Hand war.
Unbestätigten Vermutungen von Fachleuten zufolge könnte diese aus einem Klösterchen im Raum Godesberg oder Walberberg stammen



Das Foto oben ist von der Orgel in Kesseling. Ein Teil Klaviatur dieses Manuals ist von der ersten Orgel von Kripp (Johanneskapelle), die die Kirchengemeinde Kesseling ersteigert hat.

Die Besonderheit des früheren einmanualigen Orgelwerkes mit schätzungsweise 8-9 Registern stellt das Register "Flöte 4", eines der seltensten Register überhaupt, dar. Kleine runde Holzpfeifen, die einem ausgehöhltem Besenstiel gleichen, verleihen dem Register hohe und dennoch ungeheuer weiche Töne, bzw. die schnarrenden Töne der Tonpfeife. Die ältesten Register an dieser Orgel sind die weichesten. Das in Kesseling vorhandene Kripper Unterwerk (chromatisch – Prinzipal 4´, Salizional 8´, Nachhorn 8´, Flaut travers 4´, Quintaden 4´, Oktave 2´, Vox humana 8´. Pedal = Subbaß 16´, Oktavbaß 8´, Violin 8´, Posaune 16´) mit originaler Windlade ist im Ahrkreis nur noch einmal baugleich an der alten Orgel in Kirchsahr identisch. (Mittlg. d. Arbeitsgemeinschaft für rhein. Musikgeschichte e.V. Nr.58/59, Mai 1979, S. 142)

Nach Auskunft heutiger Experten ist diese Orgel trotz geringen Angebotes an Registern mit einem sagenhaften Klang ausgestattet, so dass sie im weiten Umkreis wegen ihres weichen Klanges als "romantische Orgel" bekannt ist. Den immensen kulturellen Wert dieses kostbaren musikalischen Prachtstückes des Kreises Ahrweiler lässt sich daraus vage erahnen, dass 1995 für eine dringend notwendige Restaurierung der gesamten Orgel geschätzte 300.000,- DM, also der doppelte Preis einer neuen Orgel, veranschlagt wurde. 2005 wurde diese Orgel von der Remagener Orgelbaufirma Siegfried Merten mit großem Aufwand restauriert.

Heute stellt diese ehemalige Kripper Orgel in Kesseling eine mit den wertvollsten Orgeln im Kreis Ahrweiler dar.


Quellen: mündliche Angaben von Hans Hilger, Organist Kesseling, Pater Bernd Strand, Aloisiuskolleg Godesberg, mündliche Angaben der Orgelbaumeister Siegfried Merten (Remagen) und dem holländischen Orgelexperten Prof.Dr.Jos von Son (Ahrbrück) sowie unsere Korrespondenz mit dem Orgelexperten Werner Büser, Rheinbach-Loch vom 10.4.1996.


Zweite und dritte Kripper Orgel im Johannessaal zwischen 1843 bis 1902.

1843 wurde unter dem für Kripp zuständigen Remagener Vikar Schauppmeyer eine neue Orgel angeschafft. Nachweise einer neuen Orgel ergibt sich u.a. aus Rechnungsbelegen an eine Firma Hackenbach von 1844 über eine Abschlags-zahlung sowie Arbeiten an einem Orgelkasten im Kripper Johannessaal.
Aus verschiedenen Reparaturrechnungen ist zu ersehen, dass die Funktion dieser Orgel den Kripper Gläubigen innerhalb von 2 Jahren erheblichen Ärger und Verdruss bereitete und man 1845 einen anderen Orgelbauer (Liesmann) mit einer nicht unerheblichen Reparatur beauftragte.

Auf Grund einer nachfolgenden Finanzierungseintragungen im Manual für die Kapelle zu Kripp besteht die Annahme, dass man aus Gründen der Unzufrieden-heit mit dieser Orgel im Mai 1856 den Kölner Orgelbauer Krieger mit dem Bau einer neuen Orgel beauftragte, deren veranschlagte Kosten von 251 Thaler und 2 Silbergroschen die Kripper Bürgerschaft wie folgt finanzierte:

"Hierzu wurde in Kripp Collectiert" : …..............72 Thaler, 29 Sgr., 6 Groschen
Bei einer Hochzeit ….............................................1 Thaler, 10 Sgr.
Einer auswärtigen Collecte................................... 4 Thaler, 13 Sgr.
Von Theodor Fendel auf die Aegoline.*...............11 Thaler
Von demselben für Familie Kerren..................... 30 Thaler
An Lagergeld..........................................................5 Thaler

Eine alte Orgel verkauft an Krieger........................7 Thaler
Eine Aegoline an Orgelbauer Krieger verkauft,
abzgl. obiger 11 Thaler bleibt................................31 Thaler

Von den Kripper Junggesellen wurde an Orgelbauer Krieger gezahlt 24 Thaler
Johann Lohmer laut Rechnung für Kostgeld des Orgelbauers Krieger und Vorlage macht die Summe 64 Thaler, 9 Sgr., 6 Groschen, in Summa Thaler = 251, 2 “


(Quellen= Manual für die Kapelle zu Kripp 1834, S.51)
(* = richtiger Name Äoline)


Mit der Zahlung des Rückstandes aus der Vorlage von 24 Talern an "Johann Lohmer wegen der neuen Orgel" waren 1861 alle Anschaffungskosten der Orgel ausgeglichen.

Zwischen 1865 und 1868 kam es zu Reparaturen der Orgelbälge in Höhe von 37 Thalern durch einen Orgelbauer Hünt aus Linz, bzw. eines Orgelbauer Göbel aus Koblenz. Mit dieser Eintragung erlischt nunmehr vorerst jeglicher Nachweis einer Orgelangelegenheit. Es kann daher nicht mehr nachvollzogen werden, was genau mit der alten Orgel des Johannessaales von 1856 nach dem Einzug 1902 in die neuerbaute Kirche geschah.


Orgel in der neu erbauten Kirche St. Johannes Nepomuk.


Mit dem Umzug in die 1902 neu erbaute Kirche verlor sich vorerst die genaue Spur der Kripper Orgel, jedoch nach neuesten recherchierten Erkenntnissen übernahm die „Gemeinde Kripp 1903 die alte Remagener Orgel für 1.000 Mark. Dieses Werk sei 1772 (wohl 1872 gemeint?) durch die Gebrüder Weil/ Neuwied gebaut worden und besäße zwei Manuale und 16 Register. Da Klais den Neubau der Remagener Orgel übernommen hatte, kann davon ausgegangen werden, dass er auch die Umstellung des alten Werkes nach Kripp besorgte.“ 1.) LHA Ko A 14598 -1.2, Literatur von Horst Hodick: „Johannes Klais 1852-1925, Ein rheinischer Orgelbauer und sein Schaffen“, Seite 162, Vermerk „Kripp, St. Johannes Nepomuk, 1903, MV 167 (Remagen-Kripp), 2.) Bistumsarchiv Trier, Orgelmeldebogen vom 5. Juni 1944, 3.) Lagerbuch KPA Remagen
Eine weitere Bestätigung ergibt sich auch aus einer uns vorliegenden Korrespondenz von 1976 des Orgelexperten Prof. Dr. Bösken aus Mainz an den Orgelexperten Büser aus Rheinbach, wonach 1903 eine Orgel von Remagen gekauft wurde, weil dort ein Orgelneubau vom Orgelbauer Klais (Bonn) erfolgte. Den Angaben zur Folge soll die an Kripp verkaufte Orgel 1845 von einem Orgelbauer „Wech ? von Kraft, Poppelsdorf“ stammen.

Orgelfonds 1923 (siehe auch die Nachweise des Orgelfonds am unteren Ende dieses Zeitdokumentes)

Dass sich diese Orgel nicht in einem guten Zustand befunden haben muss und gravierende Mängel aufwies, ergibt sich aus Unterlagen eines eingerichteten Orgelfonds, indem die Kripper Gläubigen endlich den Wunsch nach einer neuen Orgel hegten und in diesen 300 Mark aus veräußerten kirchlichen Kriegsanleihen zum Kurs von 92 % anlegten. Aus den Unterlagen der Stifter der neuen Glocken entnehmen wir, dass aus dem Erlös des Glockenbazars der Glockenfonds ausgeglichen und mit dem Rest der Grundstock für die Beschaffung einer neuen Orgel gelegt werden konnte. „...wurden durch freiwillige Gaben unserer Bürgerschaft aller Confessionen im Frühjahr 1922 an 140.000 Mark zusammengebracht. Davon konnten 50.000 Mark als Grundstock für die Beschaffung einer neuen Orgel angelegt werden.“ Ein weiterer Spendencheck vom 26ten Januar 1923 von Robert Heitemeyer (Lederfabrik) in 
einer uns unbekannten Höhe ist ebenfalls dokumentiert. Wie die horrenden Summen erkennen lassen, war dies zur Zeit der aufkommenden Inflation. Der damalige Glockenfonds wies 1923 eine Summe von 914.850 Mark auf. Aus der Spendenliste geht hervor, dass derzeit der Dollarwert 7.100 Mark betrug, was einen damaligen Wert des Glockenfonds von nur 128,85 US $ ausmachte. Dem gegenüber standen die geplanten Kosten laut überschlägiger Rechnung für den Einbau der neuen Orgel von 911.000 Mark = 128 US $.

(Quellen: Kath. Pfarrarchiv Kripp / Slg. Weis/Funk)

Eine Orgelbeschaffung dürfte infolge des schnellen schwindelerregenden Werteverfalls der damaligen Hyperinflation vermutlich nicht stattgefunden haben. Zum Wertevergleich und Inflationsanstieg führen wir das Monatsgehalt des Kripper Pastors vom 9. Oktober 1922 bis 21.2.1923 an, dass von 264.000 Mark auf 199.000 000 000 000 (Billionen) Mark schnellte.

Es besteht daher die berechtigte Annahme, dass mit dem Tag der Währungsreform, der Kurs für einen Dollar wurde an diesem 15.November 1923 mit 4,2 Billionen Papiermark (= 4,20 Rentenmark) festgesetzt, der Traum von der neuen Orgel in Kripp endgültig ausgeträumt war.


Orgelausfall/ Reparaturen


Einige Jahre später wurde das ganze Ausmaß des maroden Orgelzustandes durch die Tatsache ersichtlich, dass der damalige Pastor Halft während seiner Amtszeit (1932-1936) den Orgelspielbetrieb wegen dringend notwendiger zu damaligen Zeiten unbezahlbaren Reparaturen gänzlich untersagte und zur musikalischen Unterstützung der Kirchenbesucher ein Grammophon auf dem Orgelpodest installieren ließ. (mündliche Angaben Friedel Valentin, Kripp +)

Erst Nachfolgepfarrer Dr. Keller (1936-1951) sorgte für die dringend notwendige und aufwändige Orgelreparatur, sowie den Einbau einer elektrisch betriebenen Gebläseanlage nach der Währungsreform 1948, die die bisherige durch einen Balgtreter per Muskelkraft betriebene Windanlage ersetzte, weiterhin eine Reparatur bzw. Änderung des Orgelprospektes in 1968. (mündl. Angaben Willi Ueberbach, Kripp) 

Neuer Reparaturaufwand

Zum Jahreswende 2009/10 war eine sehr aufwändige Orgelsanierung durch die Remagener Orgelbaufirma Siegfried Merten mit einem Kostenaufwand von 45.000 € unumgänglich. In über zweieinhalb Monaten wurde von fachkundigen Orgelbauern die Orgel komplett zerlegt, unzählige neue Luftleitungen in einer Gesamtlänge von 950 Meter verlegt sowie alle vorhandenen Dichtungen erneuert. 

Nach monatelanger Vakanz konnten sich die Kripper Gläubigen erstmals wieder während der Ostermesse am Orgelspiel erfreuen.

Bei der Zerlegung kamen viele verschiedene Orgelbauteile zum Vorschein, die nach Angaben des Orgelexperten Merten dafür sprechen, dass es sich bei unserer jetzigen Orgel um eine zusammengebaute gebrauchte alte Orgel aus Orgelbauteilen verschiedener Zeiten und Firmen handelt. Diese Tatsachen belegen das Vorfinden von Pfeifen mit den Jahreszahlen 1854, 1877 und 1894, einen mit Bleistift handschriftlichen Vermerk von 1903 auf einer Holzleiste innerhalb des Orgelkastens, des weiteren ein Stück Walzblei der Neuwieder Orgelbauer Gebr. Weil von 1851 mit dem eingestempelten Vermerk „Quint 3, Remagen „ sowie ein Schild eines Orgelbauers Klein (Westerwald) von 1910 und und einem Serienspieltisch der heute noch existierenden Fa. Laukhuff aus Weikersheim mit 180jähriger Orgelbautradition.

Quelle: mündliche Angaben der Orgelbaumeister Siegfried Merten (Remagen) und dem Holländer Jos von Son (Ahrbrück)


Es besteht daher aufgrund vorbezeichneter verschiedener aufgefundener Orgelteile bei der 2010 durchgeführten großen Reparatur die berechtigte Annahme, dass unsere jetzige Orgel mit brauchbaren Einzelteilen der alten Orgel aus dem Johannessaal ergänzt bzw. erweitert sein könnte.


DieTafel zeigt ein Stück Walzblei der Neuwieder Orgelbauer Gebr.
Weil von 1851 mit dem eingestempelten Vermerk "Quint 3, Remagen"

Orgelfinanzierung

Um die ausstehenden Kosten für die Orgelreparatur in irgendeiner Form zu begleichen, reflektierte man zwecks Kostendeckung auf die Spendenbereit= schaft der Kripper Bürgerinnen und Bürger, weil Kirchenmusik alleinige Angelegenheit der Kirchengemeinde ist und vom Bistum Trier nicht bezuschusst wird.


Eigens zu diesem Zweck hatte der Pfarrverwaltungsrat bei der hiesigen Kreissparkasse einen Orgelfonds in Form einer Übernahme von Patenschaften der 808 vorhandenen Orgelpfeifen, die man ab 25 € bis hin zu 200 € mit Zertifikat und Spendenquittung erwerben konnte, eingerichtet. Des weiteren war auch jede kleinste Spende willkommen. Verschiedene Ortsvereine hatten ihre Spendenbereitschaft signalisiert.


Auszüge über Orgelangelegenheiten aus dem „Manual für die Kapelle zu Kripp 1834“


17. Mai 1844 18 Sgr. Abschläglich für die Orgelarbeit an Hackenbrach
27. Mai 1844 6 Thlr, 24 Sgr, 8 Gro an Hackenbrach lt. Quittung für Orgelkasten
07. Juli 1844 Rechnung 2 Sgr, 6 Gro. für Leder an die Orgel
23. März 1845 2 Sgr, 6 Groschen für Leder an die Orgel. "
1845 5 Sgr. an Lüttchen für Reparatur der Orgel
23.3.1845 9 Thlr, 19 Sgr,3 Gro an Liesmann für die Orgel gezahlt nebst Kosten
1856 Die im Monat May dieses Jahres von Orgelbauer Krieger zu Cöln
erhaltene neue Orgel kostet im ganzen in Summe Thaler 251 und 2 Sgr.

Hierzu wurde in Kripp Collectiert : 72 Thaler, 29 Sgr., 6 Groschen
Bei einer Hochzeit 1 Thaler, 10 Sgr.
Einer auswärtigen Collecte 4 Thaler, 13 Sgr.

Von Theodor Fendel auf die Aegoline* 11 Thaler
Von demselben für Familie Kerren 30 Thaler
An Lagergeld 5 Thaler
Eine alte Orgel verkauft an Krieger 7 Thaler
Eine Aegoline* an Orgelbauer Krieger verkauft, abzgl. obiger 11 Thaler bleibt ein Thaler
Von den Kripper Junggesellen wurde an Orgelbauer Krieger gezahlt 24 Thaler

Johann Lohmer laut Rechnung für Kostgeld des Orgelbauers Krieger und Vorlage macht die Summe 64 Thaler, 9 Sgr., 6 Groschen
in Summa Thaler = 251, 2
1859 Schreinerarbeiten für die Orgel 6,1.6 Gro
1859 Für zweimaliges Orgelstimmen 2 Thlr,20 Sgr.
1861 24 Thlr Rückstand an Johann Lohmer wegen der neuen Orgel
1864 37,15, dem Herrn Hünt Linz für Reparatur der Orgel
1865, 29. März 10 Thlr für die Bälge der Orgel (abschlägliche)
1865 20 Sgr. für den Einband des großen Orgelbuches
1867 10,12,6 für die Orgelbälge, Rest und Fahrgeld, etc.
1868 10 Thlr, 27 Sgr., Hündt, Orgelbauer pro 1865 bezahlt
1868 8 Thlr, Göbel, Orgelbauer, Coblenz bezahlt
1874 1 Thlr, für Organiß auf Kirmes

* = heißt richtig Äoline, seltene romantische Orgelpfeifenstimme (ca.1820-1915), bedeutet tonähnlich durchschlagender
Engelsstimmen (Durchschlagzungenregister)

Nachweise des Orgelfonds aus den Unterlagen von Weis/Funk


            

    

  


Martinsbrauch in Kripp


von Willy Weis & Hildegard Funk


Kripper Rivalitäten zum Martinsfest anno Dazumal

Mit dem Herbsteinzug finden im Rheinland, insbesondere zwischen Bonn und Koblenz alljährlich um den 11. November die Abläufe des alten Brauchtums der Martinsfeiern mit dem anschließendem Abbrennen des angelegten Martinsfeuers statt. Mit dem Festtag, dem eigentlichen Begräbnistag Sankt Martins als kirchlicher Ehrentag gewidmet, beginnt meistens eine trübe, herbstwinterliche Zeit. Als Fest des Lichtes und des Feuers waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts nur das Brauchtum des Martinsfeuers bekannt, später wurden dann die Lichterumzüge eingeführt. Der Gestaltungsablauf des alten rheinischen Brauchtums war bis 1927 in Kripp unorganisiert. Für die Kripper Kinder und Jugendlichen begann nun eine Zeit, in der wegen der Martinsfeuer Blessuren, Schrammen und Prügel infolge Rivalitäten zwischen verschiedenen Straßenbezirken zum Tagesgeschehen gehörte. Gelangte man beim sammeln von Brennmaterial für das Martinsfeuer in den gegnerischen Distrikt, konnte es unter Umständen zwischen rivalisierenden Gruppen zu Reibereien kommen. Dies änderte sich durch die Gründung eines „Martinsausschusses“, dem ab dieser Zeit der gesamte organisatorische Ablauf des Martinsfestes in Kripp oblag.

Zur Person St. Martin

St. Martin, als gallisch-fränkischer Nationalheiliger verehrt, wurde 316 n.Chr. als Sohn eines römisches Tribunen in der röm. Kolonie Sabaria in Pannonien - heutiges Szombathely (Ungarn) -, geboren und trat als 15 jähriger auf Druck des Vaters als Militärtribun in das Kriegsheer Kaiser Julians ein. Während des Krieges gegen die Gallier zerteilte er 334 n.Christi mit dem Schwert seinen Mantel, um diesen einem frierenden Bettler vor den Stadttoren Amiens zu überlassen.

Nach dem Tod des Vater entsagte er dem Militärdienst und ging nach Gallien. Dort erwarb er sich große Verdienste mit der Ausbreitung des Christentums. Nach einer Klostergründung wählte ihn das Volk gegen seinen Willen zum Bischof von Tours, der Hauptstadt des französischen Departements Indre-et-Loire. Er starb am 8.11.397 n. Chr. in Candes bei Tours und wurde am 11. November begraben. Über seinen Tod hinaus verehrte ihn die Bevölkerung wegen seiner Mildtätigkeit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe als Heiligen, insbesondere in unserem Gebiet, da das Bistum Tours neben Metz und Verdun zu den 3 Suffragettenbistümer des Erzbistums Trier gehörte. 

Martinsbrauch

Der Martinstag (11. November) spielte schon seit dem Mittelalter im bürgerlichen Leben eine große Rolle. Er galt als Stichtag für alle Zins und Abgabegeschäfte. Nach einem alt hergebrachten Brauch endete für die Landwirtschaft an Martini das Arbeitsjahr. Knechte und Mägde verdingten sich für das kommende Jahr. Des weiteren stellt Martini den Stichtag für die Entrichtung der landwirtschaftlichen Pacht dar, der bis heute im Rheinland noch Gültigkeit hat.


St. Martin auf seinem Pferd am Kripper Rheinufer

Der eigentliche Sinn dieser Handlungen ergibt sich aus dem Kirchenkalender, denn vom Martinstag bis zum Heiligen Abend begann eine 40 tägige Fastenzeit, indem man vorher alle Verbindlichkeiten und Verpflichtungen zu erledigen hatte. Violett war ab Martini die liturgische Farbe zur Fastenzeit. Mit einem weiteren alt hergebrachten Brauchtum zum Martinstag, dem Abbrennen des Martinsfeuers, blicken wir hier auf ein Brauchtum zurück, dass über Jahrhunderte im Rheinland gepflegt wird. Das Abbrennen eines großen Holzstoßes, dem Martinsfeuer, symbolisiert den früheren Sinn der Winterreinigung, um alles brennbare „Aufräumbares“ den reinigenden Flammen zu über-lassen. Stets war dieses Brauchtum mit lokalpatriotischen Ambitionen geleitet worden.

Der Sammeleifer wurde bei den Kindern durch den Wunsch des größten Feuers in seinem Distrikt angestachelt, was des öfteren ungewollt zu Ärgernissen führte. Zu diesem Zweck sammelten die Kinder in der Vormartinszeit bei den Ortsbewohner alles Brennbare, was diese bereits zum Abtransport für das Martinsfeuer bereitgestellt hatten. Wer nichts an Brennmaterial abzugeben hatte, spendierte den Kindern Süßigkeiten oder einen kleinen Obolus. Dieses Sammeln, ein alter Heischebrauch, nennt man auch heute noch „Dootze“. Dem alten Heischebrauch zur Folge, pflegten die Dorfkinder einige Tage vor dem Martinsfest neben dem Sammeln von Brenngut für ein Martinsfeuer durch Singen die Bürgerschaft mit einem speziell für Kripp getexteten Liedes darauf aufmerksam zu machen, dass die Kinder eine freiwillige Beisteuer in Form von Süßigkeiten oder finanziellen erwarteten. Sie sangen:

Dotz, dotz, dillije dotz
de heilige Sante Määtes,
dat wor n en joode Mann,
der deilt singe Mantel
mit enem armen Mann.
Rotz, rotz, rotz,
jidd uns en ahle Botz.
Rüh, rüh, rüh,
jid uns en Balle Strüüh.
Ramm, ramm, ramm,
jitt uns en aahle Wann,
Dotz, dotz, dotz,
Jidd uns jet und lod uns joan,
mir hann noch wigger römm zu joan.
Dotz, dotz, dillijedotz.“

Bei jeglicher Gabe wurde als Dankeschön der Zusatz gesungen:

Hier wohnt ein reicher Mann, der uns etwas geben kann“

Wer jedoch den heischenden Kindern das Herz verschloss, brauchte für Spott und Hohn nicht zu sorgen. Für Geizkragen wurden dann als spezielle Zugaben beleidigende Texte gesungen, die örtlich verschieden waren. Nachfolgender Spottreim speziell für Kripp:

Hier wohnt ein armer Mann, der uns nichts geben kann. Elstere fleejen op et Daach und picken üch de Aasch us.“

Auf Grund dessen kam es in der Martinszeit beim Dotzen auch zu Zwischenfällen, wobei Kripper Jugendliche wegen ihres Fehlverhaltens beim hiesigen Schiedsmann und Bürgermeister zwecks einer Rüge zwangsweise vorstellig wurden. Obwohl der alt überlieferte Martinsbrauch des Abbrennens des Martinsfeuers und des Dotzens infolge zunehmender lokaler Exzesse durch Regierungs-Verfügung vom 28. Dez.1828 untersagt wurden, konnte der Martinsgedanke in leicht veränderter Form nach einer Unterbrechung wieder aufleben. Grund des Verbotes dürfte wohl, wie auch in Kripp, die bandenmäßige Auswüchse zwischen rivalisierende Jugendlichen beim Aufschichten des Martinsfeuers sein, der die Behörde dazu veranlasste, diese aufkommenden Auswüchse zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Moral strikt zu unterbinden.


Kripper Rivalen. Die „Rhingscheene“ und „Övverrschte“

Auch nach der Aufhebung dieses Verbotes kam es zwischen den rivalisierenden Kripper Jugendlichen in ihren selbsternannten Bezirken der Unterkripp und der Oberkripp bis 1927 zu Rivalitäten mit nicht unerheblichen Keilereien. Das Konkurrenzdenken hier in Kripp uferte zeitweise derart aus, dass in dem damals kleinen Ort bis zu 3 Martinsfeuer abbrannten. Während sich das Stadtgebiet Remagen in die Kampfbezirke der „Overstätzche“ und „Baachpörtzer“ teilte, gruppierte sich Kripp in die Distrikte der „Övverrschte“und „Ringscheene“ bzw.„Rhingeschte“.
Vom Johannessaal abwärts auf der Unterkripp war der Bezirk der „Rhingscheene“ (Bezeichnung für die am Rhein wohnenden), die ihr Martinsfeuer auf dem Kiesufer des Rheines, in Höhe der ehemaligen Villa Nagel, abbrannten.

Das Feuer des Bezirkes Oberkripp, der so genannten „Övverrschte“ (im Oberdorf wohnenden) befand sich auf dem Gelände einer verfüllten Kiesgrube im Bereich des heutigen Schulplatzes, zeitweise nach der Bebauung der Voßstrasse in einer dortigen Ziegelgrube. Des weiteren wurde in dem kleinen Kripp, wenn auch nur kurzzeitig, von damaligen Breuers Jungen in der Mittelstraße ein drittes Martinsfeuer errichtet und am Martinsabend abgebrannt.
Wegen eines fehlenden Waldes in Kripp musste das angesammelte kostbare Brenngut“ Holz“ bis zum offiziellen Abbrennen am Martinsabend mit Argusaugen bewacht werden. So wurden an den jeweiligen aufgeschichteten Reisighaufen vor dem Abbrennen Tag und Nacht Wachen aufgestellt, damit man sich nicht gegenseitig mangels Brennmaterials das Holz stahl, bzw. dem Gegner vor dem Martinstag das Martinsfeuer anzündete, denn das Anzünden des „feindlichen“ Martinsfeuer vor dem Martinstag galt als heroische Tat, die dem „Brandstifter“ zu großen Ansehen und Respekt verhalf. Diese gegenseitigen Störversuche verliefen stets mit Keilereien und Blessuren. Dabei legte man inn
beiden Lagern stets Wert auf eine hierarchische Struktur. Die Jungen aus dem vorletzten und letzten Schuljahr als selbsternannte „Matadoren“ befehligten über die Jungen der unteren Schulklassen, die als „Schlepper“ von diesen für die eigentliche Drecksarbeit eingeteilt und kommandiert wurden.

Zwei aufgeführte Beispiele spiegeln den damaligen Zeitgeist wieder, mit welchem Fanatismus man bei dieser Sache zu Werke ging und nach Rache sann. So versammelten sich vor dem I.Weltkriege die „Övverrschte“ an ihrem Martinsfeuer, um von dort aus in geschlossenen kleinen Kampfgruppen gegen ihre Rivalen, die „Rhingscheene“, mit Fackeln, Fahnen, Bohnenstangen (Bunneröhm) als Säbel dienend mit die heroisierenden Kampfparolen singend zum Rhein zu marschieren.

Wer wat will, der kann jo komme, denn mir seen jo Overkreppene Jonge. Heirassassa, Holldiala. Der Rhingschene ihre Määteshaufe is jezz draan!
Der Pitter hätt sich rangeschleicht, vom Rhing us her et Feuer entzweit. De Rhingschene sind usser Rand und Band, mit Eimer löschen sie de Brand.“

(Wer was will, der kann ja kommen, denn wir sind ja Oberkrippener Jungen. Heirassassa, Hollidiala. Den Rheinanlieger ihr Martinsfeuer ist jetzt dran. Der Peter hat sich rangeschlichen, und vom Rhein aus her das Feuer entzündet. Die Rheinanwohner sind außer Rand und Band, mit Eimer löschen sie den Brand). In Höhe von Nagels Eck (ehemalige Villa Nagel), eine Art Bannmeile der „Ringscheene“ für ihr Martinsfeuer, wurden die Angreifer mit zielgerichteten Wassergüssen aus Eimern empfangen und nach dieser Taufe mit „Bengele“ (Knüppeln) „verkammesöölt“ (verprügelt) in die Flucht geschlagen. In einem anderen Jahr war es vorgekommen, dass die „Övverrschte“ in einer Nacht- und Nebelaktion unbemerkt das Martinsfeuer der Unterkripper auf dem Rheinwerth erreichten und dieses geräuschlos mit Holzstangen in die Rheinfluten hievten.


Kripper versammeln sich am Rheinufer zum Abbrennen des Martinfeuers.

Um anfallenden Ärgernissen und Unfug zukünftig ein für allemal zu unterbinden, gründete die Schulbelegschaft erstmals 1927 unter der Leitung von Lehrer Hoellen einen Martinsausschuss, der den gesamten organisatorischen Ablauf des Martinsfestes übernahm. Da von nun an nur noch ein Martinsfeuer für Gesamtkripp abgebrannt wurde, regulierten sich die Rivalitäten zwischen den jugendlichen Bewohnern der Ober-und Unterkripp. Auch das Backen der Martinswecken wurde durch den Martinsausschuss wegen mehreren ansässigen Bäckereien reglementiert, sei es im jährlichen Wechsel oder in Kooperation.

Mit dieser Reform entstand auch der heutige Fackelzug als weiteres Zeichen des Lichterfestes. Nach dem 1.Weltkrieg wurde das Abhalten des Martinsbrauches zeitweise von der amerikanischen Besatzungsmacht untersagt und zum Ende des 2.Weltkrieges fielen wegen Verdunkelungsanordnung die Martinszüge aus.1)

Quellen:
1) Nach einer Erzählung des verstorbenen Zeitzeugen Michael Schumacher (* 1902), Kripp
2) Noch zu erwähnen wäre, dass das Kampflied der Overkrepper in der Nachkriegszeit wie folgt im Text leicht abgeändert wurde:

Wer wat will, der kann jo komme, denn mir seen jo Overkreppene Jonge. Mir hann Curasch, mir hann Curasch, unn wenn me keene Knüppel hann, dann tredde me se in de Aasch."


HEILBAD KRIPP, ein balneologisches Intermezzo


von Willy Weis & Hildegard Funk


Bäder

In irgendeiner Weise spiegelten Bäder schon immer ein Stück Geschichte und Kultur wieder.

Um 1850 entwickelte sich mit großem Fortschritt die medizinische Hydrologie; dadurch entstanden viele große und prachtvolle Kurbäder mit einem Hauch vergangenen Großbürgertums. Anfang 1900 erlebten die Bäderanstalten eine fantastische Blütezeit, die sich nicht nur auf Baden und Kuren beschränkte, sondern diese Zeit war eine neue Form, die Sommerzeit zu verbringen. Der Besuch eines Badeortes war damals nicht zuletzt auch ein soziales Ereignis, an dem das Bürgertum lebhaften Anteil nahm.

Es galt damals als moderne Urlaubsform und Chique, weniger wegen der therapeutischen Qualitäten der Heilquellen, sondern wer was auf sich hielt, verbrachte mehrere Wochen in einem Heilbad. Man suchte Entspannung, Erleichterung und Geselligkeit zu finden.


Geologie-Quellenentstehung

Badeorte mit saurem Wasser geben Ausdruck vergangener vulkanischen Aktivitäten in ferner geologischen Vergangenheit in nahe liegender Umgebung wieder. Mineralquellen, ein Stück Erdgeschichte aus der Tertiärzeit, sind ein geologisches Geschenk der Natur durch Auffaltungen der Erdoberfläche infolge inneren Vulkanismusses. Dabei haben vulkanische Gesteine das devonische Grundgebirge durchbrochen und uns, ganz besonders im unteren Ahrbereich, als letztes Lebenszeichen dieser erdgeschichtlichen Periode, reichlich hervor-ragende thermale Heil- und Mineralquellen, sowie Kohlensäuregasvorkommen hinterlassen.

Dadurch gelangte einsickerndes Grundwasser durch die durch unterirdischen Eruptionen entstandenen feinen Risse in tiefliegende Gesteinsklüfte und Erdspalten und belädt sich dort mit vorhandenem angelösten Salzen und Mineralien, denen hervorragende Heilwirkungen zugeschrieben werden. Dieser chemischer Vorgang wird jedoch erst ermöglicht, indem das gespeicherte Wasser das aufsteigendes Kohlendioxyd löst und sich in Kohlensäure umsetzt. Die Erwärmung dieser gasführenden Gewässer erfolgt durch den aktiven unterirdischen Vulkanismus.

Diese an Mineralwasser reichhaltigen Höhlen gilt es zu suchen und mittels Bohrungen anzuzapfen. Expertenangaben zufolge soll der Bereich der Unterahr besonders reich mit Mineralquellenadern gesegnet sein, was den damaligen ortsansässigen Hotelbesitzer Thomas (ehemaliges Rheingold - Hotel) spekulierend erstmals im September 1900 veranlasste, Bohrversuche in Kripp durchzuführen zu lassen. Mit einer letzten in 1910 erfolgten negativen Probebohrung wurde jedoch das private Vorhaben für die Möglichkeit einer Kripper Quelle wegen Aussichtslosigkeit eingestellt.1)


Maria-Luisen-Quelle

Mit dem Jahrhunderthochwasser am Neujahrstag 1926 mit einem bis dahin in Kripp mit 10,43 m (Pegel Andernach 1.1.1926) höchst gemessenen Hoch- wasserstandes nahm die Geschichte des Heilbades Kripp ihren eigentlichen Anfang.

In seiner Eigenschaft als Feuerwehrmann versorgte der hiesige Rhein-Ahr-Gastronom Ignaz Lohmer, ugs. „de luuse Ignaz“ (listiger Ignaz) mit einem Kahn die vom Hochwasser eingeschlossenen Rheinanliegern und bemerkte dabei auf dem Grundstück der Familie Karl Werner nähelich der Straße "Auf der Schanze" aufsteigende, an der lehmfarbenen Wasseroberfläche aufplatzende Wirbelblasen, die einen übelriechenden Geruch hinterließen. Lohmer war sich der Bedeutung seiner Entdeckung, dass es sich hier nur um Kohlensäureexhalationen handeln konnte, welche aus darunterliegenden Erd-höhlen aufstiegen, bewusst. Der Entschluss des Versuches einer Tiefenbohrung erfolgte von den Grundstückseigentümern nach einem Gutachten von drei beauftragten Wünschelrutengänger, die unabhängig die Vermutung eines unterirdischen Wasservorkommen auf seinem Anwesen bekräftigten.


Links im Bild der Bohrturm aus dem Jahre 1900

Werner gründete mit vier Freunde ein Konsortium, das 1927 einer Bohrfirma den Auftrag einer Tiefbohrung von 250 m mit exakter Lokalisation bei 50° 34` nördlicher Breite und 7° 16` 26`` östlicher Länge erteilte. Mittels eines aufgeschlagenen Holzbohrturmes wurde das Werner´sche Grundstück auf Mineralwasservorkommen unter dem 75jährigen Bohrmeister Hildebrand, einem international erfahrenen Fachmann im Aufschluss von natürlichen Quellen, erbohrt. Auf erste Kohlensäurespuren stieß man bereits Ende 1928 in 110 m Tiefe, nachdem man beim Bohren zuerst bis in etwa 15 m Tiefe Kiessandschichten des Rheines mit dem Bohrmeißel durchfuhr. Darunter standen bis etwa 80 m tonig verwitterte Tonschiefer.

Bis zur Endteufe standen eine Wechselfolge von Tonschiefern und Grauwacken an, die mit verquarzten Klüften und Spalten durchsetzt waren. Wie oft bei derartigen Arbeiten, stellten sich auch hier bis zum Erfolg mancherlei geologische Schwierigkeiten in den Weg. Durch eine Unachtsamkeit des Bohrmeisters brach in 245 m Tiefe der Bohrmeißel ab, der erst nach eineinhalb Jahren aus dem Bohrloch entfernt werden konnte.

Der Erfolg, der die Ortsstruktur für 3 Jahrzehnte veränderte, stellte sich, wenn auch durch dieses Missgeschick verspätet, erst im Dezember 1929 ein.


Die uneingefasste Quelle mit Hund Moritz

Die angebohrte Quelle sprudelte nach der Abteufung aus 250 m Tiefe hochwertiges Mineralwasser bis zu 18 m Höhe zutage, deren Analyse durch unabhängige Gutachter hervorragende Heilwirkungen zugeschrieben wurden. Ein an solchen gelösten Substanzen besonders reiches Quellwasser ist die Kripper "Maria-Luisen-Quelle", die das Heilwasser mit ihren angelösten Spurenelementen unter Druck natürlicher Kohlensäure an die Erdoberfläche förderte.
Diesem Ereignis sollte einige Jahre später ein geregelter Kurbetrieb mit einem für den Ort wirtschaftlichen Aufschwung folgen. Spontan und in großer Freude verlieh die Besitzerin dieser Quelle ihren Vornamen und nannte sie "Maria-Luisen-Quelle". 2)


Hochzeitsfoto Marie Luise

Die von der Sohle eines Brunnens bis in 250 m Tiefe niedergebracht Bohrung wurde bis in einer Tiefe von 149,5 m verrohrt. Trotz des Quellenerfolges fehlte dem Gründer die wirtschaftliche Fortune. Ein Zivilprozess wegen des abgebrochenen Bohrmeißels ruinierte die Finanzlage des Quellenbesitzers fast vollends.

Ohne staatliche und kommunale Hilfe erkämpfte sich Karl Werner die Anerkennung seiner Quelle. Erst eine weitere Analyse des neu entdeckten Säuerlings, durchgeführt von einem anerkannten namhaften und unabhängigen Institut, erbrachte den Wert der "Heilkräftige Quelle". Laut Analyse ist das Kripper Heilwasser als ein "Natrium -Hydrogenkarbonat-Chlorid-Säuerling" zu bezeichnen. Die Temperatur ist mit 18,3 ° C erhöht, erreicht aber noch nicht den für eine " Therme" geforderten Grenzwert von 20 ° C. In der Analyse fällt neben dem Kochsalzgehalt der größere Anteil an Magnesiumionen gegenüber den Kalziumionen auf. Mit ihren salinischen Anteilen nahm die Maria-Luisen-Quelle als besonders kohlensäurehaltigen alkalisch-muriatisch-salinischer Eisensäuerling eine Sonderstellung unter den Heilquellen des Kreis Ahrweiler ein und war sowohl für Trink-und Badekuren geeignet. 3) 

Ein Säuerling ist eine Mineralquelle mit mehr als 1 Gramm Kohlensäure pro Liter. Badeorte mit saurem Wasser geben Ausdruck vergangener vulkanischen Aktivitäten in ferner geologischen Vergangenheit in nahe liegender Umgebung wieder. Die hervorragenden Werte der Gutachten gaben nun den Weg frei für die Errichtung eines Heilbades.

Heilwasser darf sich nur solches nennen, welches Mineralwasser mit einer nachgewiesenen therapeutischer Wirkung darstellt. Mineralwasser ist von ursprünglicher Reinheit mit bestimmten ernährungsphysiologischen Wirkungen, das seinen Ursprung in einem unterirdischen, geschützten Wasservorkommen haben muss. Der Gehalt bestimmter Stoffe darf die Grenzwerte nicht überschreiten.

Dank der chemischen Zusammensetzung besaß das Kripper Quellwasser eine Heilkraft, die zur gezielten medizinischen Behandlung vieler Krankheiten wie chronische Magenkatarrhe mit und ohne Säureanomalien; Magengeschwüre in Intervall; Übersäuerung des Magens; mäßige und allgemeine Übersäuerung (Acidose) bei Stoffwechselleiden und Nierenleiden; Leber-und Gallenleiden; Gicht; Störungen des Harnsäurestoffwechsels, Nierensteinleiden, insbesondere Harnsäuresteine, auch zur Nachkur nach Operationen als Kurmittel in Form von Trink-und Badekuren mit dem Natrium - Hydrogenkarbonat-Chlorid-Säuerling angezeigt sind.

Das rheinland-pfälzische Landschaftsministerium erkannte am 30. April 1952 die Gemeinnützigkeit der Maria-Luisen-Quelle im Sinne des Preußischen Quellenschutzgebietes vom 14. Mai 1908 an.

1962 erfolgte eine Neufassung der Quelle mit einer jetzigen Tiefe von 182,20 m, wobei 99,80 m mit vollwandigen und die restlichen 82,4 m mit perforierten Kupferrohren ausgebaut wurden. Die Förderung des Heilwassers erfolgte mittels einer Unterwasserpumpe in 45 m Tiefe. Von der Ergiebigkeit her handelt es sich um eine mittlere Quelle, denn bei einer Heilwasserentnahme von stündlich 2 Kubikmetern sank der Wasserspiegel von 3 auf 24 m ab.

1969 erfolgte die Eintragung der Maria-Luisen-Quelle in das Arznei-Spezialitäten-Register als gesundheitsförderliche Heilquelle. 4)

Der Traum vom Heilbad

Die wirtschaftliche Nutzung der üppig sprudelnden Heilquelle erfüllte die Möglichkeiten für die Entstehungsträume eines Badeortes. Die Eigentümerin entschloss sich zur Errichtung von Kur- und Badeanlagen. Zur Finanzierung des Badebetriebes wurde eine Gesellschaft "Heilbadbetrieb Maria-Luisen-Quelle" in Bad Kripp, Rheinallee 8, gegründet. Als Kurdirektor fungierte ihr Sohn Walter.

Im Hinblick auf die therapeutische Nutzung des Heilwassers wurde 1933 auf dem Quellengrundstück ein kleines Badehaus in profaner Ausführung errichtet und erstmals am 9.9.1934 ein Badebetrieb eröffnet. Es entwickelte sich sukzessive ein kleiner bescheidener Kurbetrieb.

Die erforderliche Betriebserlaubnis wurde im Frühjahr 1934 vom Deutschen Bäder-Verband erteilt. 5)

Die Anerkennung Kripp als Heilbad, wenn auch in bescheidener ländlicher Ausführung, erfolgte 1935 nach den Richtlinien des "Bundes Deutscher Verkehrsverbände und Bäder" unter Zustimmung des bäderwissenschaftlichen Beirates. Zu Anfang begnügte man sich mit einem im Pumpenhaus befindlichen Heizkessel, der das Heilwasser für die Sitzbäder in den Holzbadezubern erwärmte.

Die Umgebung und das Bauliche von Kripp gehörten zwar nicht zum klassischen grandiosen Bild eines Badeortes, aber sie strahlten eine Atmosphäre und den einfachen Reiz eines typisch familiäre Badeortes aus, der mit seiner ländlichen Idylle und einfachem Flair schnell Badegäste anlockte.

Ein Umstrukturierungsprozess zu einen zukünftigen Badeort kam nur langsam zugange. Es fehlte an attraktiven kurörtlichen Einrichtungen und der Flair herrlicher Fassaden von denkmalgeschützten Gebäuden, sowie eine Wandel und Trinkhalle. Für eine zukunftsfähige Gesundheits-und Erholungsstatt erfolgte für eine intensive Einbindung von lokalen Akteuren und Bürgern am 3. Mai 1934 die Gründung des "Bade-und Verkehrsverein-Remagen-Kripp ª/ Rhein e.V." unter dem Vereinsführer Jean Schlitzer, seinem Vertreter Graf Taveggi, sowie Peter Dahm. Um mit planmäßigen Aktionen den Kurgästen einen angenehmen Aufenthalt in Kripp zu bieten, oblag dem Verein die satzungsmäßige Aufgabe zur Hebung und Förderung des Fremdenverkehrs, Errichtung und Unterhaltung öffentlicher Anlagen und Fremdenwerbung. (AG Andernach 5 VR 669). Es galt im Einklang mit vorhandenen Park- und Erholungsanlagen und medizinisch-balneologischer Kompetenz eine Kurortinfrastruktur aufzubauen. Die Einrichtung eines solchen Vereines war für das Aufstreben des Bades einfach eine unabdingbare Notwendigkeit. Dabei wurden alte Häuser, die einmal das alte Dorf waren, zur Besserung der Ortsstruktur und zur Hebung der Kuratmosphäre herausgeputzt.



Kurparkanlagen

Seinen Höhepunkt erreichte das nunmehr gut angelaufene und expandierende Heilbad Kripp ab 1937, als Dr. Dr. Hermann Karsten aus Düsseldorf im ehemaligen Schwesternheim der Schönstattschwestern auf dem Batterieweg sein Sanatorium mit Saunabad als „Privatkrankenanstalt“ mit unter ärztlicher Leitung stehende Hydrotherapie eröffnete.

Neben seiner im Sanatorium befindlichen Zahnarztpraxis bot Dr. Dr. Karsten eine reiche Palette von Möglichkeiten an Therapien in den Bereichen der ambulanten als auch der offenen oder geschlossenen Badekur an, welche in der Parallele zu der Heilquelle zur Linderung für Nervenleiden, Erkältungs= krankheiten, Rheuma, Stoffwechsel, sowie Kreislaufstörungen im Naturheilverfahren bekannt waren. Hier seien die Therapien der Kneipp-methoden, der Duft-Farb-Ton-Therapie, des Japanbades und der ärztlich geleiteten Heilsauna genannt.

Das Sanatorium lag in unmittelbarer Nachbarschaft der über den Sandweg befindlichen Kuranlagen in fußläufiger Entfernung zur Quelle. Der ausgedehnte Parkgarten, der weitläufige Schatten betagter Bäumen gab in der Nachmittagssonne dem aufstrebenden Bürgertum Gelegenheit zu vielen Plauderstündchen. Die Sanatoriumsgäste waren überwiegend gutbürgerlicher Mittelstand, auch Prominente, wie unter anderem die bekannte Pianistin Elly Ney. die ihr Leben Beethoven gewidmet hatte und für die Hausgäste am Klavier ihre Induvidualität für diese Zeit auslöschte, um den Geist des Geniusses bei ihr einwohnen zu lassen.


Kurhaus

Eine Bereicherung für den Kurbetrieb stellte 1939 die teilweise Öffnung des Wohnhauses der Quellenbesitzer als Kurhaus in der Rheinallee 8 neben dem Quellengebäude dar, dass aus architektonischer Sicht wohl das schönste Gebäude des Ortes und der Kurbadanlage darstellte. Dieses Gebäude, das man liebevoll „Rheinschlößchen“ nannte, lag inmitten einer rheinisch geprägten Landschaft direkt am Rhein und dürfte mit dem weitläufigen Schatten seines Baumbestandes wahrscheinlich einst dem aufstrebenden Bürgertum Gelegenheit zu fröhlichen Plauderstündchen gegeben haben.

Das gepflegte Anwesen gab Zeugnis einer reichen und vornehmen Vergangenheit seines Erbauers Ferdinand Wegener, dem Schwager Lederfabrikerbauers Heitemeyer, der das 1909 gebaute Gebäude (LHKo /Versicherungspolice der Provinzial-Feuerversicherungs-Anstalt)aus Alters-gründen um 1925 an die Familie Werner, verkaufte. 

 Der Kölner Geschäftsmann Karl Hugo Werner, geb.19.2.1878 in Köln-Nippes, +1.9.1954, ehemals Besitzer der hiesigen Weinessig & Senffabrik, ließ sich nach der Hochzeit mit Johanna-Maria-Luise, geb. 4.3.1877 Linz, +10.4. 1967, Tochter der ehemaligen am gegenüber liegenden Ufer Linzer Zoll- und Trutzburg Besitzerfamilie Feith, in Kripp nieder. 

Diese Zollburg, die durch die politische Neuordnung Europas seine bis dahin „landesherrliche Bedeutung“ verlor, gelangte durch Verkauf von 4050 Reichs-taler an den Linzer Rheinzollbeseher (Rheinzollinspektor) Anton Feith.



Lageplan Kurhaus Kripp

Bauzeichnung Kurhaus Umbau

Der Flair dieses Gebäudes entsprach ganz dem Charakter eines Heilbades und trug zur weiteren Hebung des Fremdenverkehrs bei. Mit seinem recht einladenden inmitten eines aus altem Baumbestand bestehenden Parks unmittelbar am Rhein gelegen, fand es bei den Kurgästen eine gute Resonanz.

Der Badebetrieb florierte in der Zeit des Dritten Reiches durch viele KdF-Gäste, einer damaligen NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ mit einer stattlichen Zahl ständiger Besucher. Fortan nahm das junge Brunnenunternehmen eine günstige Entwicklung. Viele der Kurgäste nahmen in den meisten Fällen einen Aufenthalt von 6-8 Wochen wahr, um die Form der Kurbäder auf verschiedenen Ebenen ganzer Angebote der klassischen hydrologischen Therapie als Stimmulus für die Gesundheit wahrzunehmen.

Die Unterbringung der Kripper Badegäste erfolgte teils im Sanatorium, dem Kurhaus, den Rheinhotels, Gaststätten und überwiegend auch in Familien-pensionen, wo sie herzliche Aufnahme fanden. Die Sanatoriumsgäste wurden mit einer hauseigenen Kutsche durch den Kutscher Heisterkamp vom Bahnhof Linz oder Remagen abgeholt. 7)

Für den Badegast boten sich im Kurhausgarten sowie in dem Sanatoriumsgelände und den gepflegten Anlagen der Rheinpromenade reizvolle Spazier- und Wanderwege an. Der nun aufkommende florierende Fremden- verkehr, der dem kleinen Rheinort wirtschaftlichen Aufschwung brachte, veränderte rasch die bisherige Ortsstruktur. Mit den damit verbundenen Dienst-leistungen wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Beherbergungsbetrieb wurde ausgebaut und fast ein jeder hatte als willkommenes Zubrot in seinem Haus noch ein Zimmer zum Vermieten. Neue Gewerbe entstanden zum Wohl der Kripper Bevölkerung

Durch den florierenden Kurbetrieb begann für die Geschäfte, Pensionen, Hotels und privaten Nebenbetrieben eine gute wirtschaftliche Zeit. Es entstanden viele badebezogene Arbeitsplätze, die zur bescheidenen Wohlfahrt des ehemaligen Badeortes beitrugen. Dieser Entwicklung bereitete der Kriegsausbruch 1939 jäh ein Ende. Die nun einbrechenden Kriegsereignisse hemmten den Badebetrieb, was für den jungen Badeort einen herben Rückschlag bedeutete.

Nach dem Kriegsende wurde der Badebetrieb mühselig wieder in Gang gesetzt. Die erst zögernd anlaufende Beginnphase beschleunigte sich dann rasch durch ständig steigende Besucherzahlen und machte eine Erweiterung des Kur-und Badebetriebes nötig. Ein Bäderkomplex mit Bäder, Trink-und Ruheräume, inklusive Massage und Büroraum wurden im Garten des Quellbereiches errichtet und durch den Kurhauspächter Karl Liesche 1955 an Alfred Stiehler unterverpachtet. Dank dieser verbesserten Kur-und Badeeinrichtungen nahm der Fremdenverkehr rasch zu.


Die Ausführung der Innengestaltung und des Trinkbrunnens erfolgte nach den Plänen des akademischen Kripper Malers Felix Lüttgen, ein Freund des späteren Kunstprofessors Ewald Matarè, die beide bereits unter anderem schon um 1920 den Innenraum der Kripper Pfarrkirche bildlich gestalteten.

Mit der Errichtung des neuen größeren Badehauses wurde die Balneotherapie ganzjährig mit Sitzbäder und Trinkkuren durchgeführt. Gute Erfolge stellten sich mit der unter ärztlicher Leitung stehenden Hydrotherapie, besonders bei Stoffwechselstörungen ein, die sich durch hiesige Trink- und Badekuren günstig beeinflussen ließen.

Des weiteren leistete während des Badebetriebes mit dem Kripper Heil- und Quellwasser das hier vorherrschende milde Klima einen nicht unerheblichen Beitrag medizinischer Wirkungen auf die Gesunderhaltungen der Badegäste.

Durch den balneologischen Ausbau avancierte sich Kripp wieder schnell zu einem beliebten Badeort mit einem Kurhaus, und einem renommierten Sanatoriumsbetrieb, der vielen Kurgästen Erleichterung oder Heilung durch Bäder und Innerer Anwendung brachte.

Verbunden mit der naheliegenden Heilquelle war das kleine Sauna-und Thermalbad im Sanatoriumgarten der Privatkrankenanstalt, „Maria-Luisen-Bad“ genannt, ein auf 25- 27° Celsius mit minero-medizinalem beheiztes gesundheitsfördernden Wasser gefülltes kleines Thermalbad, wegen seiner besonderen Heilkraft allseits hoch geschätzt. Unter dem einladenden reichhaltigen Geäst des parkähnlichen herrlichen Baumbestandes des Kurhausgeländes konnten sich damals Sommerfrischler und Badegäste bei herrlichen Blick auf Linz im Schatten die Zeit aufs angenehmste vertreiben. 


Ab 1950 sorgte dort Tanzmusik für Unterhaltung. Die Räume waren exquisit und in jeder Weise der Neuzeit entsprechend nett und freundlich eingerichtet. Sie verfügten über einen Kalt-und Warmwasseranschluss. Das ganze Anwesen machte einen gepflegten Eindruck. Zur Konzessionierung waren die Räum-lichkeiten im Erd- und Obergeschoss vorgesehen, wobei das Dachgeschoss zu Wohnzwecken des Betreibers diente.

Viele Kripper und Kurgäste weilten gerne wohlwollend im "Rheinschlößchen". Um mit ihrem Kurhaus wesentlich zur Belebung des Fremdenverkehrs in Kripp beizutragen, beantragte die Quellenbesitzerin mit Schreiben vom 28.11.1948 an den Landrat und den Bürgermeister von Remagen eine Vollkonzession.

"Im Interesse des Fremdenverkehrs ist die Einrichtung eines Kurhauses-ein solches gehört bekanntlich zu jedem staatlich anerkannten Heilbad-dringend geboten. Hierfür ist das Anwesen Rheinallee 8 vorgesehen. Ich bitte ergebenst, die bereits im September 1939 erteilte Konzession für Kaffeewirtschaft und Fremdenpension auf Vollkonzession auszudehnen zu wollen".

Das konzessionierte Kurhaus wurde nach Antragstellung an Sohn Walter (*1903), ab 1949 an Luise Werner verpachtet. Die Namen der nachfolgenden Pächter wie Artur Richards, der ab 1950 eine Tanzfläche für den 5 Uhr Tanztee errichtete, Karl Liesche um 1951 und Barbara Busch, geb. Kühn bis 1957 dürften den älteren Krippern noch geläufig sein. Nach erfolgter Stilllegung des Badebetriebes 1957/58 und Verkauf an die Firma Lehnig wurde das ehemalige Kurhaus 1959 pachtweise von Leopold Burchartz, 1961 nach dessen Tod von seiner Witwe Johanna und Tochter Christa bis zur Einstellung des Betriebes geführt. Die Rücknahme der Konzession erfolgte 1966.



Anhand des Fotos ist ersichtlich, wie ernst es die Kripper mit dem fühlbaren Heilbadsterben nahmen,
 indem sie dieses 1956 zum Karnevalsmotto machten.

Niedergang des Heilbades.

Die badebetrieblichen Entwicklungen liefen nicht immer den Wünschen der Quelleneigentümer entsprechend. Oft gab es unerwartete Schwierigkeiten, die nicht leicht zu überwinden waren.

Neben den mäßigen Exploitierungsergebnissen der Maria-Luisen-Quelle wurde der Niedergang des Heilbades durch finanzielle Schwierigkeiten eingeleitet. Der Gründe mögen vielerlei gewesen sein. Angefangen von einem Zivilklageprozess gegen die Bohrfirma wegen des abgebrochenen Bohrmeißels, kriegsbedingte Badebetriebs-reduzierung, Geldentwertung, Ausfall monatlicher Pachterträge, Unlauterkeit von Geschäftspartnern oder von geschäftlichen Misserfolgen wie unter anderem die von Werner und Underberg gegründete Vertriebsfirma „ETE“, die vorsah, mit jedem Kasten Kripper Mineralwasser ein Fläschchen Underberg zu vertreiben und sich zum Flop entwickelte. Selbst die gut angelaufene Produktion von „Hübrosan“, einem Gallentrank, der nach der Einnahme schonend vorhandene Gallen-und Nierensteine zertrümmern sollte und von einer auswärtigen Firma in den angemieteten Hallen des Quellengebäudes hergestellt und vertrieben wurde, schlug fehl. 

Die Herstellung und Vertrieb des beliebten medizinischen Getränkes, bei der Kripper Bevölkerung scherzhaft als die „Atomzertrümmerung im Nachttopf“ verspottet, wurde auf dem Klagewege eingestellt, da die Hersteller das geistige Urheberrecht der Rezeptur einer Heilpraktikerin unterlaufen hatten.

All diese Sorgen hatten das Vermögen der Quellenbesitzer derart dezimiert, dass sie in Finanznöte gerieten und 1946 zur Rettung des Badebetriebes die Hälfte des Heilbadebetriebes an Underberg, der als Kurgast in Kripp weilte, verkaufte.

Streitigkeiten mit dem neuen Teilhaber endeten mit einer einseitigen Vertragskündigung durch Werner. Durch einen Vergleich erhielt Underberg das Badehausgrundstück und verpachtete sofort den laufenden Betrieb. Werner erhielt die Abfüllhalle. Einer der Hauptgründe des Streites soll jedoch die zu hohe Quellwasserentnahme für die Abfüllanlage des Mineralwasservertriebes gewesen sein, so dass ein ordentlicher Badebetrieb nicht mehr gewährleistet war.

Der Kur-und Badebetrieb kam um 1957/58 endgültig zum erliegen. Aus lauter Verzweiflung über den glücklosen Verlauf seiner einstiegen Quellenidee nahm sich der Quellenbesitzer Karl Werner das Leben.


Mineralwasservertrieb

Laut Adressbuch von 1939/40 betrieb zu dieser Zeit im Marie-Luisen-Quellengebäude ein Emil Bergers neben dem Badebetrieb einen kleinen Flaschenabfüllbetrieb von geringem Ausmaß. Dieser Geschäftszweig wurde um 1950 als professioneller Mineralwasservertriebsgesellschaft erweitert und florierte vorerst neben dem Bade-und Kurbetrieb der „Maria-Luisen-Quelle“. Die Flaschenabfüllung erfolgte im Quellengebäude unter dem Abfüllmeister Jakob Eich. 11)

1958 wurde das Geschäft von der Quellen-Lehnig AG mit Sitz in Eschwege erworben und als Zweigniederlassung beim AG Sinzig, Abteilung 6 unter der HRA 495 eingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte im Bundesanzeiger am 15.9.1958 als Neueintrag “Quellen-Lehnig, Wolfgang Lehnig, Bad Kripp/ Rhein“. 12)

Dieses Unternehmen, dass im damaligen Bundesgebiet 18 Filialbetriebe unterhielt, verhalf auch der Kripper Quelle zu einem neuen Anfang. Das Gelände des ehemaligen in Konkurs gegangenen Nahrungsmittelbetriebes Nagel, das Kurhaus, die Maria-Luisenquelle und das Haus Astenroth, ging dann

durch Kauf in den Besitz von Lehnig über. Die Geschäftsleitung des Kripper Filialbetriebes übernahm Geschäftsführer Helmut Adam.


Nach dem Niedergang des Badebetriebes stand nur die Ausbeutung der Kripper Quelle noch im Zeichen des Mineralwasservertriebes. Als Produktionsbetrieb und Firmensitz der Lehnig AG diente ab 1960 das Gelände der ehemaligen Villa Nagel. Eigens dafür wurde das Mineralwasser mittels einer verlegten Rohrleitung vom Quellengebäude „ An der Schanze“ zur neu errichteten Abfüllanlage auf dem Nagel-Gelände transportiert und dort von annähernd 90 Mitarbeitern versandfertig verarbeitet. Als Versandbrunnen für die Erfrischungsindustrie diente das Quellwasser der „Maria-Luisen-Quelle“ als Zweig einer modernen mobilen Getränkeindustrie, das mit 25 betriebseigenen Lkw´s im „von Haus zu Haus“ Fahrgeschäft im weiten Umkreis durchgeführt wurde. Trotz des grundlegenden Wandels durch den Kauf der Maria-Luisen-Quelle mit allen badebezogenen Gebäuden geriet die Firma Lehnig in geschäftliche Schwierigkeiten. Der Grund soll die mäßige Ergiebigkeit der Quelle gewesen sein, die den erhöhten Mineralwasserbedarf für die Kapazität der neuen modernen Abfüllanlage zeitig nicht hergab und somit der wirtschaftliche Aspekt auf der Strecke blieb. Nach dem Konkurs der Vertriebsgesellschaft 1978 wurde die Mineralwasserproduktion eingestellt. Mit dem letzten Eintrag im Handelsregister Sinzig am 22.8.1963 „Die Firma ist erloschen“ wurde die Kripper Quellenära endgültig ad acta gelegt.

Obwohl diese Quelle im unteren Ahrkreis als Sonderling in der Mineralienzusammensetzung von den umliegenden Quellen abweicht, wurde ihre Exploitierung trotz ihres hohen Stellenwertes eingestellt. Zwar zeigten sich wiederholt Ansätze für das Aufleben der Mineralwasserproduktion durch verschiedene Interessenten, die jedoch nicht mehr zur Wiederaufnahme des Betriebes führten. Die wirtschaftliche Verwertung der ehemaligen Bäder-und Mineralwasservertriebsgüter erfolgte durch gerichtliche Versteigerungen.

Schlußsatz

Nach dem Niedergang verblasste schnell der bescheidene Glanz des ehemaligen Heilbades. Die Wannen, Heizkessel sowie das Kurhaus mit seinen Einrichtungen und die Abfüllanlagen, die einst die Funktion eines Heilbades erfüllten, verschwanden.

Das herrliche Kurhaus fiel 1974 der Spitzhacke zum Opfer, gefolgt von den Kur- und Badeanlagen. Das 1981 niedergelegte Sanatorium Dr. Dr. Karsten wich einem Privathaus der Familie Worm auf dem Batterieweg 26.

Die zum Ärgernis der Ortsbevölkerung gewordenen abrisswürdigen Ruinen des seelenlosen Betonbaues der ehemaligen Abfüllanlage des Maria-Luisen-Brunnes auf dem Gelände der einstmaligen Villa Nagel wurden erst 2007 für den Neubau des Wohnhauses „Rheinresidenz“. Quellenstrasse 1, endgültig entfernt.

In dem heute halb zerstörten und heruntergekommenen Gebäude des Brunnenhauses "An der Schanze“, deren Öffnungen 2011 aus Sicherheits-gründen zugemauert wurden, ist noch heute die Quellenanlage im betriebsbereiten Zustand versiegelt vorhanden.

Lediglich die namentliche Straßenbezeichnung "Quellenstraße" erinnert uns heute noch an den einstigen bescheidenen Glanz eines 30-jährigenQuellenortes. Die Hoffnung auf einen Badeort dürfte wohl für alle Zeiten verloren sein.

Durch den Wegfall des Heilbades entfiel auch die Bedeutung des Beherbergungsgewerbes und die Zahl der Gästebetten nahm rapide ab. Der Ort unterzog sich erneut einem Strukturwandel.

Gesundheitsinsel

Auftakt des Planungsprozesses war die Idee der Wiedereröffnung des ehemaligen Kurbetriebes durch Dr. Dr. Karsten. Dieser beabsichtigte, die teils noch erhaltene Kurinfrastruktur mit Kurgarten und Sanatorium am Rhein und medizinisch-balneologische Kompetenz im Einklang bringen. Erarbeitet wurde das inhaltliche Handlungskonzept mit Planungsvarianten als Studienarbeit durch ein Planungsteam der Universität Bochum unter professioneller Leitung inhaltlich begleitet.

"GESUNDHEITSINSEL"

zur Gesundheitsvorsorge und Erziehung

Fachhochschule Dortmund, FB Architektur

Examensarbeit-Sommersemester 1976

Studenten:

E:M: DETERDING, Witten / N. STACHOWIAK, Dortmund

Dozenten:

PROF.DIPL:ING. G. GANDERT / PROF. DIPL. ING. K. BRUNNER


Die Idee Dr. Dr. Karstens, nach dem balneologischen Niedergang das Gebiet um den Kripper Kurgarten mit in ein Heilzentrum einzubeziehen, fand leider keine Verwirklichung, womit auch die letzte Chance zur Erhaltung des Heilbades zerfloss. Die Idee Dr. Dr. Karstens, nach dem balneologischen Niedergang das Gebiet um den Kripper Kurgarten als Chance einer gelungenen Gesamt= konzeption für Freizeit, Erholung und Kur in ein Heilzentrum mit einzubeziehen und Wirklichkeit werden zu lassen, scheiterte letztendlich an den Kosten. Der Wunsch vieler Kripper, eines Tages wieder eine Heilbadfunktion zu erleben, dürfte somit wohl endlich ausgeträumt sein.


Analysenwerte einer Probenentnahme vom 15. Juli 1968:

Gemarkung : Kripp/ Remagen

Name der Quelle : Maria- Luisen- Quelle

Chemismus : Na- HCO3- C1- Säuerling

Analytiker : Fresinus/ Wiesbaden

Probenentnahme : 15. Juli 1968

Wassertemperatur : 18,3° C

Spez. Gewicht : 1,0009 bei 20° C (bezogen auf 4° C)

Ph- Wert: 6,2

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Kationen: mg/ kg mval mval %

Lithium ((Li +) 0,73 0,1052 0,25

Natrium (Na +) 702,5 30,56 72,68

Kalium (K +) 13,90 0,3554 0,85

Rubidium (Rb +) 0,053 0,00062 0,001

Cäsium (Cs +) 0,034 0,00026 0,001

Ammonium (NH4 +) 0,58 0,0322 0,077

Magnesium (Mg ++) 81,6 6,712 15,96

Kalzium (Ca ++) 82,9 4,137 9,84

Strontium (Sr ++) 1,14 0,0260 0,062

Nickel (Ni ++) 0,003 0,0001

Aluminium (Al +++) 0,024 0,0027 0,006

Mangan (Mn ++) 0,32 0,0117 0,028

Eisen (Fe ++) 2,94 0,1053 0,25

Silber (Ag +) 0,001 0,00001

Kupfer (Cu ++) 0,020 0,0006 0,001

Zink (Zn ++) 0,007 0,0002

10042,05

Anionen:

Flourid (F -) 1,22 0,0642 0,15

Chlorid (C 1 -) 538,5 15,19 36,13

Bromid (Br -) 1,07 0,0134 0,032

Jodid (J -) 0,032 0,00025 0,001

Sulfat (SO4) 122,3 2,546 6,06

Nitrit (NO2) 0,003 0,00065 0,001

Nitrat (NO3) 1,33 0,0214 0,051

Hydrogenphosphat (HPO4 --) 0,23 0,0048 0,011

Hydrogenarsenat (HAsO4 --) 0,015 0,00021

Hydrogenkarbonat ( HCO3 -) 1476 24,20 57,56

.......................................................................................................

Summe der ionisierten Stoffe: 3027 42,04 100,00


Nicht ionisierte Stoffe:

Kieselsäure (meta) (H2SiO3) 15,76

Titansäure (meta) (H2TiO3) 0,006

Borsäure (meta) (HBO2) 1,67

..........

Summe der gelösten Feststoffe: 3045



Gelöste Gase:

Freies Kohlendioxid (CO2) 1826

..........

Summe aller gelösten Stoffe: 4871


Quellen:

1)Sinzig u.s.Stadtteile- Sinzig 1815- 1969, S.272 von H.Kleinpass, ZA General-Anzeiger Bonn v.30.9.1900 unter Kripp, 28. Sept.)
2)
Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2005, „Heilbad Kripp“ - ein balneologisches Intermezzo, S.233-236

3) Heimatchronik des Kreises AW 1968, "Heilquellen und Mineralbrunnen im
Kreis Ahrweiler" von Walther Ottendorf- Simrock, S.279

4) Analyse Bäderhandbuch

5) Schreiben Stadtverwaltung Koblenz an den Kreis v. 24.4.1975,
Akt.Z.55/B1/131-7/170/1, der Konz.Akte Stadt Remagen

6) AG Andernach 5VR669, Vereinsregisterauszug, Vereinsakte Bürger-u.
Heimatverein Kipp

7) mündl. Angaben Mathilde Bewersdorf

8) Baubeschreibung zum Konzessionsantrag v.5.1.1951-Konzessionsakte der Stadt
Remagen

9) Konzessionsakte Stadt Remagen

10) Maria-Luisen-Quelle“, S. 115-120 in „im Namen Roms, Remagen-Eine
StadtGeschichten“, H.P.Kürten, Remagen 2000, sowie mündl.Angaben Josef
Marx, Franz Breuer, Kr
ipp,+

11) Zeitzeuge Heinz Geef, Kripp

12) LHKO 602,46/ 9820

13)1978 Lehnig Konkurs. Übernahme durch Strohmänner… JGV/Kürten,pp


Fotos vom alten Kripp

vorgestellt von Horst Krebs


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Fronleichnamsprozession um 1955



Alte Schule in Kripp Ende der 50er Jahre


Schüler des Lehrers Schmitz (links) Anfang 50er Jahre


Kindergarten mit Pfarrer Kern, Schwester Eleonore und „Tante Trude“

et Jüppche



Campingplatz in Kripp